Frieder Bach
Reportagen

30 JAHRE GESCHICHTS-WERKSTATT

Der 30. Januar 2025 war ein trüber Tag. Für den Abend hatte das Sächsische Fahrzeugmuseum zu einem Vortrag Frieder Bachs, des Grandsigneurs der DKW und Auto-Union-Forschung, eingeladen. Bereits im Vorfeld meldeten sich so viele Besucher an, dass alle Plätze besetzt und ein zweiter Termin anberaumt werden musste.

Eine Viertelstunde vor Beginn nahm das Publikum seine Plätze ein. Man konnte es kaum erwarten Frieder Bach zu hören. Endlich war es 18.30 Uhr …

Frieder Bach

Frieder Bach begrüßte voller Freude das Publikum. Dem Anschein nach war kaum jemand darunter, den er nicht persönlich kannte. Zunächst erinnerte er an den im Januar verstorbenen Enkel des legendären DKW-Gründers-Jörgen Skafte Rasmussen, der 1939 in Zschopau geboren wurde und den gleichen Namen trug, wie der Großvater. Mit seinem Tod ist der letzte Zeitzeuge der Familie Rasmussen von uns gegangen, resümierte Frieder Bach die Lage. (Hier sein Nachruf in der Litterata: https://www.mironde.com/litterata/12551/reportagen/joergen-s-rasmussen-31-5-1939-11-1-2025

In der Folge schilderte Frieder Bach seinen Weg zum Fahrzeugbau. Großvater, Vater, Mutter und Tante besaßen eigene Fahrzeuge und waren technisch Versierte. Dennoch war das keine einfache Vorbestimmung. Wir erinnern uns an das kürzlich erschienene Buch Frieder Bachs über die Erfindung des Rettungsbrettes durch einen Chemnitzer Maschinenbauingenieur. Dort kann man lesen, dass er Schwimmer, Turmspringer und Rettungsschwimmer war. Später studierte er – was? – Sport! Zur Technik kam er als Sportler. Aber nur weil er nach dem letzten Training vor der DDR-Meisterschaft 1968 im Motorrad-Geländefahren von einem rücksichtslosen Autofahrer zu einem Sturz gebracht wurde, und eine ernste Beinverletzung erlitt, musst er sich ein altes Motorrad mit Trittbrett zulegen. Weil er, in der Zeit, in der alle neu und modern sein wollten, ein altes Motorrad fuhr, glaubten Freunde und Kollegen, er sammle solche „alten Dinger“. So kam eines zum anderen und Frieder Bach wurde „Oldtimersammler“.

Frieder Bach

Das Publikum lauschte der Erzählung Frieder Bachs wie gebannt. Eigentlich kannten sie alle die Einzelheiten. Mitunter wurden schon die Stichworte laut, bevor sie … Aber aus dem Munde Frieder Bachs klang es doch anders. Umgeben von den Exponaten der Chemnitzer Fahrzeuggeschichte – von Fahrrädern bis zum Auto – zogen 30 Jahre an den Zuhörern vorbei.

Frieder Bach

Frieder Bach erzählt, wie die Sammlung eine erste Heimat im Wirtschaftsgebäude des Wasserschlosse Klaffenbach fand. Peter Waldvogel war damals Vorsitzender des Fördervereins. Nach einer Heimsuchung durch Hochwasser zog die Sammlung in die Zwickauer Straße 77 um. Man ist hier zur Miete im Erdgeschoss. Ein Möbelhaus nimmt das gesamte Gebäude der ehemaligen Hochgarage ein. Die Nachfolge des Vereinsvorsitzenden trat Ludwig Karsch an. Ein Kreis von Mitarbeitern und Unterstützern ermöglicht den Alltagsbetrieb des Museums, betreibt Austausch, Neuerwerbungen, Vorträge und Ausstellungen. Nach knapp drei Stunden (!) endete der Vortrag. Keiner der Zuhörerinnen und Zuhörer hatten den Saal verlassen. Im Gegenteil. Alle wollten den ganzen Vortrag hören.

Frieder Bach

Ein Weggefährte war es, der Frieder Bach am Ende mit einem Blumenstrauß für seinen Vortrag und sein Lebenswerk dankte. Dieser reichte den Strauß an seine Frau Petra weiter. In der Tat baute Frieder Bach mit seiner Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft, ohne es bewusst zu bezwecken, ein Netzwerk der Fahrzeugliebhaber in ganz Deutschland und Europa auf. Von weit her kommen Besucher, nur um mit ihm zu sprechen und die Sammlung zu besuchen.

Frieder Bach

Viele Gäste dankten Frieder Bach nocheinmal persönlich.

Auf dem Heimweg wurde uns klar, dass Frieder Bach eine einzigartige Sammlung begründete. Er begann in einer Zeit mit dem Sammeln, in der man wichtige Dinge nicht mit Geld bezahlen konnte. Man half sich gegenseitig. Heute ist das anders, heute sind Sammlungen meist nur noch eine Geldfrage. Aber Frieder Bach erwarb viele Stücke durch Tausch und konzentrierte die Sammlung auf die Region Chemnitz-Erzgebirge. Hier waren es nicht die typisch deutschen Firmen, die sich in Überkompliziertheit verloren, die ihn besonders interessierten. Es war der Däne Jörgen Skafte Rasmussen, der ein neuartiges Konzept ins Erzgebirge brachte. Er wollte einfache, zuverlässige und preiswerte Fahrzeuge bauen. Zweitaktmotor und Frontantrieb galt in der Branche damals nicht viel. Gemeinsam mit Hermann Weber, Carl Hahn und der handwerklichen Meisterschaft seiner erzgebirgischen Belegschaft schuf Rasmussen die Weltmarke DKW (Siegfried Rauch). Und die Firma DKW war es auch, die die insolventen Firmen Schüttoff, Audi, Horch und andere auffing und gemeinsam mit der Auto-Sparte von Wanderer als Auto-Union den Fahrzeugbau der Region aus der Weltwirtschaftskrise 1929–1932 führte. Kritiker vergessen oft, dass es in unserem Leben letztlich um Vereinfachung geht. Die Entwicklung geht in der Natur vom Chaotischen über das Komplizierte zum Einfachen. Das Einfache ist das bestmöglich Kombinierbare. Der Däne Jörgen Skafte Rasmussen setzte diese Erkenntnis in Zschopau um. Das Baukastenprinzip von Dietel/Rudolph war später eine logische Konsequenz. Frieder Bach erinnert mit seinem Lebenswerk daran, dass dieser Ansatz zukunftsträchtig ist. Die breiten Erfahrungen von der Fahrrad- bis zur Autoproduktion waren bei DKW/Auto-Union Voraussetzung für die Spitzenleistungen in Einzelbereichen. Das Lebenswerk Frieder Bachs drängt auf Anwendung. Es geht nicht um Musealisierung. Das wird unterstützt durch den Werkstattcharakter der Garage. Hier riecht man noch das Öl, hier spürt man noch, das in den Räumen wirklich einmal gearbeitet wurde. Hier ist alles echt. Es ist eine Geschichts-Werkstatt im doppelten Sinne. Im Unterschied zu anderen Einrichtungen entstand diese Sammlung in den letzten DDR-Jahren praktisch „von unten“. Davon zeugte auch die Teilnahme an der informelle DDR-Oldtimer-Szene. Andererseits herrscht hier wirklich noch Werkstatt-Atmosphäre. Hier entstand die Idee zur Neuerfindung und zum Bau des letzten Auto-Union-Sportwagens in Chemnitz, von dem es bis dato nur eine grobe Skizze gab.

Frieder Bach

Frieder Bach erhellte an diesem Abend eindrucksvoll, dass die Tatkraft und Weitsicht Jörgen Skafte Rasmussens und Siegfried Rauchs im Chemnitzer Fahrzeugmuseum bewahrt und weitergeführt wird. Es war ein Ereignis.

Johannes Eichenthal

Information

Frieder Bach: Der letzte Auto Union Sportwagen aus Chemnitz.

Broschur, 23,0 × 23,0 cm, 84 Seiten, 100 z.T. farbige Abbildungen und Fotos

VP 14,50 Euro   ISBN 978-3-96063-030-2

Bestellbar in jeder Buchhandlung oder direkt beim Verlag: https://buchversand.mironde.com/p/frieder-bach-der-letzte-auto-union-sportwagen-aus-chemnitz

Vorankündigung

Der Mironde-Verlag will Ende April 2025 den dritten Band seiner Literarischen Wanderung durch Mitteldeutschland vorstellen. Ein Kapitel ist Siegfried Rauch und seinem Standardwerk „DKW – Geschichte einer Weltmarke“ gewidmet. Rauch macht die gewaltige Leistung Jörgen Skafte Rasmussens sen. für die Strukturentwicklung der Region Chemnitz-Erzgebirge-Zwickau deutlich.

Bestellbar in jeder Buchhandlung oder direkt beim Verlag: https://buchversand.mironde.com/p/literarische-wanderung-durch-mitteldeutschland-bd-3-von-thomas-mann-bis-gundermann

Die Litterata – Technik und Poesie in Mitteleuropa – ist ein Feuilleton des Mironde Verlags (www.mironde.com) und des Freundeskreises Gert Hofmann.

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