Reportagen

Aufklärung in Chemnitz

Es ist Frühling geworden. Erstaunt entdecken wir eine erwachende Natur. Bunte Blumen schießen aus dem Boden. Kleine Vögel lassen mit Ihrem Gesang selbst die drei dicken Tenöre verstummen. Weil die gesamte Natur dem Anschein nach im Erwachen ist … versuchte die Stadtbibliothek Chemnitz auch das Erwachen der Chemnitzer aus der selbst verschuldeten Unleserlichkeit zu befördern. Die Kolleginnen und Kollegen bereiteten deshalb wieder auf liebevolle Weise die Chemnitzer Literaturmeile vor. Autoren, Buchhändlerinnen, Antiquare und Verlegerinnen präsentierten dem Publikum am Samstag, dem 16. April, ein breites Spektrum an Literatur: Bücher, Lesungen und Musik.

Neben den bekannten Chemnitzer Autoren wie Hans Brinkmann und Lothar Becker waren auch Daniel Arnold und Kai Mertens zu hören. Die Altmeisterin Katharina Kammer war gekommen und Günter Saalmann. Unter dem Titel »Rostprobe« präsentierten junge Leute interessante Klangexperimente und Textcollagen.

Auch für heute vergessene Autoren war Zeit. Dr. Andreas Eichler vom Mironde-Verlag erinnerte mit kurzen Textauszügen an Gert Hofmann, der 1931 in Limbach bei Chemnitz geboren wurde und am 29. Januar diesen Jahres 80 Jahre alt geworden wäre, und an den 1884 bei Dresden geborenen Edgar Hahnewald, der am 6. Januar 1961, also vor 50 Jahren, in Schweden verstarb.

Hans Brinkmann (sitzend) kann nicht nein sagen, wenn ein Pressefotograf …

Kommentar
Die Beteiligung an der Literaturmeile ging dem Umfang nach etwas zurück. Sicher ist die Ausstattung der Bibliothek nicht größer geworden. Aber man konnte am 16. April hier den Kern der Chemnitzer Literaturszene treffen. Es herrschte ein angenehme Stimmung. Anders als Orchestermusiker treten die Vertreter der freien Szene nicht nur ohne üppiges, sondern ganz ohne Honorar auf. Bezeichnend für eine Stadtführung, die einen der höchstdotierten Literaturpreise in Deutschland vergibt, ist, dass dem Anschein nach an diesem Sonnabendnachmittag kein Vertreter der Stadtverwaltung, kein Kulturbürokrat den Weg in die Stadtbibliothek fand. Ein Mitglied des Kulturbeirates rettet die Ehre der Ehrenamtlichen.
Um so mehr muss man den rührigen Organisatoren um Elke Beer und Uwe Hastreiter danken. Sie schafften es ein generationenübergreifendes kulturelles Ereignis auf den Weg zu bringen. Das ist es, worum es in einer überalterten Stadt gehen muss.
Johannes Eichenthal

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