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DIE FRANKFURTER BUCHMESSE 2017

Vom 11. bis zu 15. Oktober 2017 lud die Frankfurter Buchmesse auch in diesem Jahr wieder zur größten Bücherschau der Welt ein. 7300 Aussteller aus 102 Ländern, 4000 Veranstaltungen und 286.425 Besucher – das sind die nüchternen Zahlen. Das besondere Gastland der Messe war in diesem Jahr Frankreich.

Was macht die Anziehungskraft der Buchmesse aus? Unsere Welt befindet sich in einem Umbruch, der mit der Zeit des Übergangs vom Römischen Reich zum Mittelalter vergleichbar ist. In den westlichen Ländern funktioniert das über Jahrzehnte Bewährte nicht mehr, das Neue noch nicht. Es herrscht eine große Unübersichtlichkeit. Große Teile der Funktionseliten und etwa die Hälfte der Bevölkerung hätten gern, dass alles bleibt wie es ist und die andere Hälfte hat bereits jetzt mit den wirtschaftlichen Folgen der bisherigen Politik zu kämpfen. Eine gesellschaftliche Debatte wäre angebracht, um notwendige Reformen zu ermöglichen.

Die Messe machte aber wieder einmal deutlich: das Medium Buch bietet eine Möglichkeit, sich in der großen Unübersichtlichkeit zurechtzufinden. Die Buchmesse liefert Voraussetzungen für die notwendige Debatte, um die sozialen Interessenkonflikte zivilisiert auszutragen.

In der Halle 4.1 trafen auf besondere Weise Konservation und Innovation aufeinander. Hier waren die Antiquariatsmesse, die Buchkunstausstellung zum schönsten Buch, Architektur-, Kunstbuch- und Künstlerbuchverlage zu finden. Hier hatten aber auch zahlreiche innovative unabhängige Verlage ihren Standort. Auf der Bühne trat der österreichische Aktionskünstler und alternative Theoretiker, der Direktor des Zentrums für Kunst und Medien Karlsruhe, Prof. Peter Weibel, am ersten Messetag mit einem Vortrag auf.

Einen weiten Weg legte dieses niederländische Buchhändler-Ehepaar zurück. Der Mironde-Verlag beteiligte sich in diesem Jahr an einer Gutschein-Aktion des Börsenvereins des deutschen Buchhandels. Buchhändler, die den Stand besuchten, erhielten ein Exemplar von Joahnnes Eichenthals Weltbürgeressay »Skepsis und Hoffnung« mit Grafik von Rüdiger Mußbach und einer Radierung von Birgit Eichler als Geschenk.

Am Abend des 11. Oktober lud der Hauptverband des Österreichischen Buchhandels zum traditionellen Empfang ins Frankfurter Städel-Museum ein.

Der Präsident des Hauptverbandes Benedikt Föger begrüßte, angesichts der Buchpreisverleihung an einen Österreicher und vieler positiver Nachrichten, voller Selbstvertrauen die Gäste.

Das Publikum genoss den Vorzug kurzer Reden, um sich dann um so ausgiebiger den Spezialitäten der österereichischen Küche widmen zu können.

Nach dem Essen konnte das Publikum eine Ausstellung mit Werken von Maria Sybilla Merian besichtigen.

Am 12. Oktober besuchte der Thüringer Schriftsteller und Dichter Matthias Biskupek (re.) den Stand des Mironde Verlages.

Ebenfalls am 12. Oktober besuchte der Chemnitzer Journalist und Lyriker Matthias Zwarg sächsische Verlage, um den Lesern der Chemnitzer Freien Presse einen Eindruck vom Messegeschehen zu vermitteln.

Der saarländische Ministerpräsident a.D., Reinhard Klimmt (re.), war mit seinem Stand »Der Büchergärtner« in der Antiquariatsmesse vertreten. Der versierte Büchersammler veröffentlichte zwei dicke Bände zur Geschichte des Taschenbuches im deutschsprachigen Raum der 1950er Jahre mit dem Titel »Reihenweise. Die Taschenbücher der 1950er Jahre und ihre Gestalter« (im Hintergrund sichtbar). Links neben dem Antiquar Klimmt der Hüttenberger Büchersammler und Mitherausgeber des Sammler-Buches »Haben Sie das alles gelesen?« Dieter Lehnhardt.

Die Bücherkenner Prof. Dr. Bernd Wirkus, Prof. Juergen Seuss und Dr. Werner Abel (v. li. n. re.) trafen sich zu einer erfrischenden Diskussion.

Der Träger des Literaturpreises der Leipziger Buchmesse 2016 Guntram Vesper (re.) und seine Gattin (2. v. li.) trafen mit Dieter Lehnhardt zusammen, der ihnen das Buch »Haben Sie das alles gelesen?« vorstellte.

Die beiden Chemnitzer Kulturbegeisterten Dr. Andrea Pötzsch und Ralph Pötzsch nehmen jedes Jahr die weite Reise nach Frankfurt auf sich, um die Atmosphäre der Messe für neue Anregungen und Einladungen zu Lesungen in Chemnitz zu nutzen.

Kommentar

Ist die Frankfurter Buchmesse eine Reise wert? Dem Anschein nach ja, auch wenn in diesem Jahr die Hotelpreise wieder gestiegen waren und das Gedränge in den Gängen zunahm. Das Interesse für Leseveranstaltungen ist ungebrochen groß. Auch in der Stadt wird außerhalb des Messegeländes mittlerweile an vielen Orten gelesen. Die verschiedenen Programme boten Schriftstellerlesungen auf hohem Niveau.

Der Besucher konnte sich einen literarischen Überblick des deutschsprachigen Raumes verschaffen. Aber in den drei Ebenen der Halle 6 waren auch die Verlage aus dem englischsprachigen Raum zu finden, in Halle 4.0 Verlage aus China und einigen asiatischen Ländern. In den verschiedenen Ebenen der Halle 5 stellten Verlage aus Europa (Frankreich, Russland, Italien), Südamerika, Arabien und anderen Weltteilen aus.

Insgesamt war damit auf der Messe ein konzentrierter Überblick der internationalen Literaturentwicklung möglich wie es ihn gegenwärtig kein zweites Mal auf der Welt gibt. Ohne Zweifel gehört eine großes Maß an Anstrengung dazu, dieses Angebot auch zu nutzen – es gibt aber keinen Genuss ohne Anstrengung.

Neben Buchverlagen sind auch Zeitungsverlage auf der Messe vertreten. Der Leser hat hier die Möglichkeit des Vergleichs. Der Zeitungsleser Umberto Eco sagte einst, dass es ihn am stärksten interessiere, wie die unterschiedlichen Zeitungen ein-und-dasselbe Ereignis kommentierten. Diese Möglichkeit bietet sich auf der Buchmesse auch. Einige Zeitungen werden sogar kostenlos verteilt.

Der erfahrene Südosteuropa-Journalist Dirk Schümer informierte den Leser in der Tageszeitung »Die Welt am Sonntag« vom 15. Oktober 2017 auf einer Doppelseite beispielhaft sachlich über die Lage in Österreich vor der Wahl. Er zitiert ausführlich Äußerungen seiner Wiener Interviewpartner. So gibt er zum Beispiel den renommierten Wiener Philosophie-Professor Konrad Paul Liessmann mit den Worten wieder: »›Österreich ist keine rechte Mördergrube, sondern das flüchtlingsfreundlichste Land Europas›. Umgerechnet auf Einwohner habe man nämlich mehr Menschen aufgenommen als Deutschland. Nur, so Liessmann, hätten die Politiker in Österreich schon früh auf die Grenzen, Kosten und Gefahren des Willkommens hingewiesen«.

In der »Neuen Zürcher Zeitung« vom 14. Oktober 2017 war der Leitartikel auf der Titelseite überschrieben mit: »Die Gefahr des Populismus wird überschätzt«. Eric Gujer bringt seine Meinung nach umfangreicher Erörterung des Problems auf den Punkt: »Populismus ist nicht das größte Problem Europas. Weder Marine Le Pen noch die AfD hindern Macron und Merkel an umfassenden Reformen.«

Das ist die Frankfurter Buchmesse. Hier findet man selbst die Zeitungsartikel, von den Büchern ganz zu schweigen, die sich die Mühe machen, dem Leser die Lage der sich rasch wandelnden Welt differenziert darzustellen. Erst bei einer konkreten, differenzierten Lageeinschätzung kann man seinen eigenen Standpunkt punktuell auch in Zweifel ziehen und korrigieren. Pauschale und abstrakte Darstellungen erleichtern das Beharren auf unseren bisherigen Positionen als Ganzes. Eine Debatte ist aus dieser Sicht nicht notwendig, weil man darauf hofft, dass alles bleibt, wie es ist. Eine Debatte ist mit solchen Voraussetzungen allerdings auch nicht möglich. Das sind die Zeitgenossen, die auf jede Frage schnell etwas zu sagen haben, ohne allerdings jemals eine Antwort geben zu können.

Wenn wir den historischen Wandel unserer Gegenwart verstehen wollen, wenn wir eine breite gesellschaftliche Debatte wollen, wenn wir echte Reformen wollen, dann müssen wir uns die Mühe der konkreten, differenzierten, verbindlichen Diskussion machen. Nirgendwo konnten die fast 300.000 interessierten Besucher bessere Voraussetzungen dafür finden als zur Frankfurter Buchmesse.

Den Verlagen, Autoren und der Buchmesse-Mannschaft ist für die Vorbereitung und Durchführung des Großereignisses zu danken. Man kann die Anstrengungen nur ahnen, die in einer Zeit erhöhter Sicherheitsanforderungen notwendig sind, um die Plattform für den zivilisierten Buchhandel und den Meinungsaustausch zu ermöglichen. Ohne Zweifel war die Frankfurter Buchmesse 2017 ein Ereignis.

Im kommenden Jahr wird die Messe vom 10. bis zum 14. Oktober stattfinden.

Clara Schwarzenwald

 

Information

http://www.buchmesse.de/de/

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