Rezension

DIE WUNDERBLÄTTER DES KARL QUARCH. EINE SPANNENDE GESCHICHTE AUS DER DDR-BIBLIOPHILIE

SEHR GEEHRTE DAMEN UND HERREN, HIERMIT MÖCHTEN WIR IHNEN EINEN GASTBEITRAG DR. KLAUS WALTHERS VORSTELLEN.

Wahrscheinlich war es Werner Klemke, einer der besten und vielseitigsten Buchkünstler in DDR-Zeiten, der seine Freunde schon vor langer Zeit auf einen kleinen Verlag aufmerksam machte, der in Leipzig seit hundert Jahren agierte, seine interessanteste Zeit freilich in dem Vierteljahrhundert von 1965–1990 hatte. Karl Quarch (1923–2007) war ein Unikat in der Verlagslandschaft.

Seite aus dem besprochenen Band mit Grafik von Prof. Karl-Georg Hirsch

Der Leipziger Journalist und Bücherliebhaber Ekkehard Schulreich hat nun in einem von Birgit Eichler glänzend ausgestattet Band die Wege, Irrwege und Umwege dieses Karl Quarch beschrieben. Oder muss man besser sagen: Er hat auf bewundernswerte Weise diese Lebensreise »Ins Schwarze!«, wie der Band heißt, recherchiert und in spannenden Geschichten erzählt. Natürlich weiß man, dass es in der DDR bedeutende Buchkünstler gab, Gestalter, Illustratoren; große Buchverlage mit künstlerischen Ambitionen. Aber wer kennt schon Karl Quarch, sein Leben, sein Werk? Geboren wurde er am 30. April 1923 – übrigens am Geburtstag des Vaters. Freilich, der Vater stirbt noch nicht einmal 50 Jahre alt, und der Sohn wird also schon 1941 ins Handelsregister eingetragen. Das Geschäft des Vaters, 1919 begründet, Luxuspapiere und ähnliche Waren, in Leipzig, wird vom Sohn übernommen. Erst 1942 taucht in der Geschäftsbezeichnung das Wort »Verlag« auf. 1943 werden die Geschäftsräume in der Hainstraße zerstört, Karl Quarch müht sich von den elterlichen Haus aus in Schleußig das Unternehmen zu erhalten. Im April 1945 ist für ihn der Krieg in einem Leipziger Lazarett zu Ende. Aber die Amerikaner schleppen ihn erst noch ein paar Wochen in das berüchtigte Gefangenenlager Bad Kreuznach, bis er im Sommer 1945 wieder in sein Gewerbe einsteigen kann. »Auf der Leipziger Musterschau der Erzeugnisse im Oktober 1945 ist Quarch als Kunstverlag vertreten«, schreibt Ekkehard Schulreich. Bei dieser Gelegenheit ist eine Kritik angebracht: Der Autor Schulreich hat für seine Verlagsgeschichte eine ziemlich komplizierte Form gewählt, die den Leser des öfteren in die Irre führt. Die einzelnen Etappen des Quarch-Unternehmens werden mit den Beziehungen zu Grafikern verknüpft, und so wird die Darstellung der zeitgeschichtlichen Ereignisse oftmals unterbrochen. Aber insgesamt ist es schon sehr lesenswert, wie dieser Quarch in den schwierigen Nachkriegsverhältnissen der DDR, seinen Klein-Verlag entwickelt. »Er findet Künstler, in vielen Fällen Absolventen der Leipziger Hochschule für Grafik und Buchkunst. Die nutzen die Chance, die Quarch ihnen einräumt. Sie machen Quarchs Originalgrafik zu etwas Einzigartigem. Etwas, das nicht elitär und Sammlern vorbehalten ist. Etwas, das anspruchsvoll, aber ausdrücklich Gebrauchsgut sein will«. Und diese Arbeit, diese Produkte sind mit den Namen von Hans-Joachim Behrendt, Werner Klemke, Karl-Georg Hirsch, Christa Jahr u.a. verbunden. Merkwürdigerweise gelangen seine Produkte sogar in die höheren Ränge des DDR-Regimes. Da wird er sogar Menükarten für Honeckers Staatsjagd produzieren. Und über längere Zeit entstehen von Gerhard Kurt Müller entworfen, Städtemappen u.a. von Leipzig und Karl-Marx-Stadt. Natürlich hatte Quarch Mitarbeiter, Verbündete. Ohne sein zweites Ich, Ingeborg Karich, wäre das alles wohl nicht entstanden, und da sind der Drucker Reinhard Bauer, der Typograf Günther Jacobi, der Kunstkritiker Lothar Lang, der Sammler Matthias Haberzettl, der diesem Band ein schönes Vorwort beigesteuert hat, die Quarchs Kunst-Werke propagierten.

Der Bücherkenner, Bücherliebhaber und Büchersammler Dr. Klaus Walther bei der Vorstellung des Bandes »haben Sie das alles gelesen?« in der Stadtbibliothek Chemnitz, im Jahre 2016.

Und da kam dann auch der Tag, als der Autor dieses Textes in den zweiten Stock des Messehauses Jägerhof in der Leipziger Hainstraße 17/19 stieg. Quarch empfing den Gast freundlich in elegantem Anzug, keine Künstlerklamotten. Und der Gast ging mit der Mappe von Kästners »Zwölf Monaten« und der unverbindlichen Zusage, dass man gelegentlich etwas zusammen machen wollte. Und diese Zeit kam, denn die Wende, die für viele in der DDR einen Aufbruch bedeutete, wurde für Quarch zur Endzeit. Neue, hohe unbezahlbare Mieten für die Geschäftsräume, Umzug ins Hessische, 2007 Rückzug nach Leipzig. Da wollten wir gemeinsam ein Buch machen, es blieb bei den Plan. Also dann: Letzte Station Südfriedhof. Erinnerung an ihn in einer Ausstellung in der Universitätsbuchhandlung Leipzig. Irgendwo vielleicht noch Kisten mit seinen grafischen Wunderwerken.
»Pflicht ist Glück, Arbeit ist Trost, Schönes vermitteln – Lebensfreude«. Einen Zettel mit diesem Spruch trug er in seiner Geldbörse.

Klaus Walther

Information
Ekkehard Schulreich: Ins Schwarze! Originale Druckgrafik ist das Markenzeichen des Leipziger Verlegers Karl Quarch. Spurensuche – ein Jahrhundert nach der Verlagsgründung.

Ein Gemeinschaftsprojekt der Pirckheimer Gesellschaft e.V. und des Mironde Verlages.
23 × 23 cm, 176 Seiten, Fadenheftung, Lesebändchen, zahlreiche farbige Abbildungen,
VP (D) 24,90 €
ISBN 978-3-96063-021-0

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