Sehr geehrte Damen und Herren, die Sammlung Erzgebirgische Landschaftskunst hatte am 15. November zur Vorstellung der Neuerwerbungen 2019 in Schloss Schlettau eingeladen. Wir veröffentlichen einen Gastbeitrag des Kurators Alexander Stoll.
Johannes Eichenthal
Elf Künstlernamen verzeichnet unsere Einladung zur diesjährigen Präsentation der Neuzugänge des Jahres 2019. Darunter bekannte Namen, aber auch einige, die bisher noch nicht in der Sammlung zu finden waren. Wirft man einen Blick auf die Biografien, so wird deutlich, dass zwischem dem ältesten Künstler und der jüngsten Künstlerin fast genau 100 Jahre liegen: Otto Westphal wurde 1878 geboren und Mandy Friedrich 1977. Entsprechend unterschiedlich sind ihre biografischen Erfahrungen, ihre Ausbildung, ihre Themen und künstlerischen Handschriften. Diese Bandbreite versucht unsere Sammlung seit der Gründung widerzuspiegeln und das wird mit den Neuzugängen 2019 hier erneut sichtbar.
Neben Otto Westphal zeigen wir zwei weitere Künstler, die noch weit vor 1900 geboren wurden. Zum einen ist es Georg Höhlig, geboren 1878 – ein kleines Spätwerk konnten wir im Kunsthandel günstig erwerben. Es ist stark restaurierungsbedürftig, aber damit ist der für die Landschaftskunst im Erzgebirge so wichtige Maler auch dauerhaft in der Sammlung verankert.
Alfred Hofmann-Stollberg: Gut bei Stollberg-Mitteldorf
Eine besondere Bereicherung stellt ein umfangreiches Konvolut aus dem Nachlass von Alfred Hofmann-Stollberg dar. Es ist zunächst eine Dauerleihgabe mit zahlreichen Papierarbeiten, Skizzen, Skizzenbüchern, Holzschnitten und Radierungen. Aus der Vielzahl können wir hier nur einen Ausschnitt zeigen. Es ist jedoch geplant, nach erfolgter Sichtung und Aufarbeitung, davon auch einmal deutlich mehr sichtbar zu machen. Hofmann-Stollberg dürfte vielen von seinen Illustrationen (z.B. das »Weihnachtsbuch« von Kurt Arnold-Findeisen) ein Begriff sein.
Alfred Hofmann-Stollberg: Haus am Kamm, undatiert, Tempera
In der Ausstellung stellen wir vorwiegend kleinformatige Temperaarbeiten vor. Diese Blätter überraschen durch eine intensive, teilweise vom Jugendstil mit den lila, rosa und blaugrünen Tönen geprägte Farbigkeit. Mit ihrem lockeren malerischen Duktus erinnern die Blätter teilweise an Farbstudien für Gemälde, faszinieren aber heute gerade durch diese Ungezwungenheit. Hofmann-Stollberg gelingt es immer wieder auch das Rauhe und Herbe des Erzgebirges einzufangen, wenn der Herbstwind über den Kamm weht und dicke Wolken alles in ein dunkles Grau tauchen.
Einen bemerkenswerten Neuzugang stellt auch das Gemälde »Scheibenberg und Bärenstein« von Otto Westphal dar, was dankenswerter Weise durch die großzügige Schenkung der Auerbacher Firma RolloExpress und Michael Knauth möglich wurde. Der Dresdner Maler Westphal gehört zu den namhaften Vertretern der alten Dresdner Landschaftsmalerei, war ein Schüler des bekannten Landschaftsmalers Carl Bantzer. Vorrangig fand er seine Motive in Dresden und der Umgebung des Elbtals – so das die großformatige Erzgebirgslandschaft mit den sommerlichen Feldstrukturen und dem weiten Blick auf Scheibenberg eine Besonderheit darstellt.
Den Scheibenberg als Motiv haben auch die beiden von den Jahrgängen folgenden Künstler Friedrich Näser (Jg. 1903) und Albert Schreier (Jg. 1905) aufgegriffen.
Von Näser besitzen wir ja seit Jahren einen Großteil des Nachlasses. Nun kamen noch einmal einige Ergänzungen aus Familienbesitz hinzu, von denen wir zwei Blätter mit dem Scheibenberg aus den 1920er Jahren zeigen.
Alber Schreier aus Zwönitz war bisher noch nicht in der Sammlung vertreten. Auch hier erhielten wir ein ganzes Konvolut von Arbeiten in verschiedenen Techniken aus dem Nachlass der Familie. Schreier, der in der Nachkriegszeit das kulturelle Leben in Zwönitz mit gestaltete, war Autodidakt, hat sich im Lauf der Jahre eine eigene Handschrift erarbeiten können. Auch er hat sich immer wieder mit der rauen Kammregion beschäftigt, mit den vom Wind gezeichneten Vogelbeerbäumen, wie in einigen Rötelzeichnungen deutlich wird.
Albert Schreier: Vuglbeerbaam am Hirstein, 1959, Rötel
Ebenfalls ein Autodidakt war der Annaberger Karl Dorschner (Jg. 1916), der über viele Jahre verschiedene Zirkel in Annaberg besuchte. Neben zwei impressionistisch angelegten kleinformatigen Ölgemälden bringt vor allem seine Tuschezeichnung »Vision zum Thema: Die Region unseres Obererzgebirges im Zeitalter des Tertiär«, 1996, einen besonderen, weit in die geologische Geschichte des Erzgebirge reichenden Aspekt in die Sammlung ein.
Etwas jünger als Dorschner ist Carl-Heinz Westenburger (Jg. 1924),der Mitbegründer unserer Sammlung. Wir freuen uns sehr, dass seinem Wunsch entsprechend ein Großteil des Nachlasses nun Eingang in die Sammlung Erzgebirgische Landschaftskunst gefunden hat. Wie die kleine Auswahl für die Ausstellung zeigen, hat er sich auf ganz unterschiedliche Weise dem Thema Erzgbirge genähert. Im Gegensatz zu den älteren Künstlern spürt man bei ihm deutlich eine andere, wenn man so will, expressivere Herangehensweise. Ihm geht es nicht mehr unmittelbar um das Abbild der Natur. Er versucht vielmehr ihre Farben, Formen und Strukturen zu durchdringen und auf diese Weise etwas vom Wesen des Erzgebirges und der Natur zu erfassen. Das kann in wirbelnden Farbspuren, wie in dem Gemälde »Inspiration Landschaft« geschehen, oder in der für ihn typischen Art der Verdichtung von einzelnen Elementen, wie in dem stilllebenartigen Waldstück.
Volker Beyer: Zwischen Himmel und Erde (für Carlheinz Westenburger), 2011, Öl auf Pappe
An dieser Stelle müssen wir die Chronologie kurz verlassen: und zunächst auf das Gemälde von Volker Beyer eingehen, denn es ist direkt dem von ihm bewunderten und sehr geschätzten Kollegen gewidmet. Ganz ähnlich wie Westenburger schlägt auch Volker Beyer (Jg. 1951) deutlich expressivere Töne an. Das Hochformat mit dem weit nach oben gezogenen Horizont (und den dort angedeuteten Windrädern!) überrascht durch eine erstaunliche Tiefenwirkung, so als würde man in die Erde hineinschauen können. Hier wird also auch das Innere der Erde mit zum Bildthema, was gerade im Erzgebirge ja naheliegt und auch von Westenburger immer wieder aufgegriffen wurde.
Auch die junge Dresdner Malerin Mandy Friedrich (Jg. 1977) verbindet eine gute Beziehung zu Carl-Heinz Westenburger, da sie mit ihm des öfteren zu Workshops und Exkursionen in Dörfel und Umgebung unterwegs war. Friedrich greift noch intensiver zur Farbe, trägt sie impulsiv und in dicken Schichten auf die Leinwand auf. Immer wieder ist auch sie in der Kammregion unterwegs, bevorzugt im Winter. In einem farblichen Feuerwerk erfasst sie die Atmosphäre von Kälte und Wind, wo ein aus der Ferne scheinendes Licht zum markanten Anziehungspunkt wird.
Es verbleiben zwei Künstler unterschiedlichen Alters, die sich jedoch beide mit der Technik des Holzschnittes und der verlorenen Form beschäftigen.
Zum einen der Freitaler Horst Hoppe (Jg. 1934) und die Leipzigerin Stephanie Marx (Jg. 1975).
Hoppe war schon mit einigen Blättern bei den »Kammlandschaften« vertreten und bei der Rückgabe der Leihgaben hat er freundlicherweise der Sammlung noch einen Druck überlassen.
Stephanie Marx: Osterzgebirge III
Die Holzschnitte von Stephanie Marx sind meist inspiriert von der Landschaft des Osterzgebirges. In ihren Drucken, die alle in der Technik der verlorenen Form entstanden sind, reduziert sie die natürlichen Gegebenheiten auf ihren formalen Kern, nutzt dabei den Faserverlauf und die Strukturen des Holzes in unterschiedlichem Maße mit, was einen relativ dünnen Farbauftrag erfordert. Es sind sehr überlegt und austarierte Kompositionen, die oft auch die Weite und das Kontrastreiche des Landschaft einfangen. Mit nur wenigen, formalen Andeutungen gelingt es ihr, die wesentlichsten Elemente der Landschaft, wie z.B. Baumgruppen, Wälder, Felder, in ihrer klaren und flächigen Bildsprache umzusetzen.
Das war ein kurzer Gang durch rund 100 Jahre Kunstgeschichte, wie er sich in den Neuzugängen 2019 darstellt. Unterschiedliche Generationen, unterschiedliche Motivationen und unterschiedliche Handschriften, die alle eins vereint: sie sind vom Erzgebirge, seiner Landschaft, seinen Bewohnern, seiner Kultur inspiriert.
Alexander Stoll
Information
Schloss Schlettau, Schlossplatz 8, 09487 Schlettau
Die Ausstellung ist bis zum 20. Mai 2020 zu sehen.
www.erzgebirgische-landschaftskunst.de
Die Litterata – Technik und Poesie in Mitteleuropa – ist ein Feuilleton des Mironde Verlags (www.mironde.com) und des Freundeskreises Gert Hofmann.