Reportagen Technologie

BESUCH IM KLÄRWERK

Sehr geehrte Damen und Herren, wir freuen uns, Ihnen heute einen Artikel unseres Herausgebers Dr. Andreas Eichler vorstellen zu können.

Johannes Eichenthal

Am 8. September 2020, einem Spätsommertag von fast barocker Schönheit, besuchte der Ministerpräsident des Freistaates Sachsen, Michael Kretschmer, die zentrale Kläranlage des Zweckverbandes Frohnbach in Niederfrohna mit einer Reinigungskapazität für 40.000 Einwohnerwerte. Zum Abwasserzweckverband gehören die Große Kreisstadt Limbach-Oberfrohna und die Gemeinde Niederfrohna. Herr Kretschmer wollte sich über den Stand des vom Freistaat Sachsen mit Mitteln der Europäischen Union aus dem Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE) geförderten Modellprojektes »Dezentrale Klärschlammveredlung durch Pyrolyse« informieren.

Geschäftsleiter Dr. Steffen Heinrich und seine Mitarbeiter empfingen Michael Kretschmer in der Zufahrt des Klärwerkes. Der Ministerpräsident hatte an einer Tagung des Sächsischen Städte- und Gemeindetages in Niederfrohna teilgenommen und bereits einen langen Arbeitstag hinter sich. Der Landtagsabgeordnete und Vorsitzende des Umweltausschusses Jan Hippold, Oberbürgermeister Dr. Jesko Vogel, Bürgermeister Klaus Kertzscher sowie Stadt-, Gemeinde- und Verbandsräte waren ebenfalls erschienen.

Der Ministerpräsident wurde bereits auf dem Weg zur Anlage von Steffen Heinrich über die Grundlagen der dezentralen Pyrolyse und die Errichtung der Pilotanlage informiert.

Vor der laufenden Anlage erklärte der Geschäftsleiter die Technologie der Trocknung und Konditionierung des anfallenden Schlammes unter Nutzung der auf dem Klärwerk gewonnenen Energie (Klärgasverstromung, Solarenergie und Wasserkraft) in einem mehrstufigen Prozess.

Anschließend wird der nahezu vollkommen trockene und pelletierte Schlamm mittels Förderschnecken zu einem Pyrolyseofen transportiert und darin kurzzeitig auf über 600 Grad Celsius erhitzt. Die Pyrolyse ist eine thermische Zersetzung unter Abwesenheit von Sauerstoff. Dabei werden Medikamentenrückstände und alle anderen schädlichen organischen Bestandteile vollkommen zerstört. Erhalten bleiben Nährstoffe und Spurenelemente. Am Ende steht ein phosphorhaltiges Granulat mit umgewandeltem Kohlenstoff in Form von »black carbon«.

Der Ministerpräsident folgte den Ausführungen des Geschäftsleiters über den komplizierten Prozess sehr aufmerksam. Er konstatierte sofort, dass die bisherigen rechtlichen Kategorien Abfall oder Düngemittel angesichts der Innovation versagen. Steffen Heinrich fasste die Vorzüge des Granulates für landwirtschaftliche Nutzflächen als Strukturgeber und Humusaufbausubstanz für Böden hervor. Dafür bestehe angesichts der Klimaänderungen ein großer Bedarf.

Fazit

Die Verbandsversammlung und die Mannschaft des Zweckverbandes Frohnbach haben sich während der letzten beiden Jahrzehnte mit der ständigen technischen Vervollkommnung des Klärwerkes intensiv befasst und den Betrieb an die Herausforderungen der Zukunft angepasst. Der Weg dorthin war oft mit erheblichen Schwierigkeiten und Widerständen gesäumt. Doch die Mühe hat sich gelohnt. Heute ist das Klärwerk des vergleichsweise kleinen, aber innovativen Verbandes eine der modernsten Anlagen Europas. Es wurde von einem »energiefressenden Abfallvernichter« zu einem modernen »Stoffwechseltransformator« umgebaut. Der Besuch, das Interesse und das Verständnis des Ministerpräsidenten Michael Kretschmer waren eine wichtige Anerkennung der geleisteten Arbeit. Einen entscheidenden Beitrag für das Gelingen des Modellprojektes hatten nicht zuletzt die daran beteiligten ausschließlich kleinen und mittelständischen Ingenieursbüros, Maschinenbauer, Handwerksbetriebe sowie regionale Bauunternehmen mit ihren kreativen Ideen und technischen Lösungen. Sie erhoffen sich einen Vorbildcharakter für viele ähnliche Nachfolgeprojekte.

Der Ministerpräsident vermochte zu begeistern und zu motivieren. Ist er doch, wie er selbst mitteilte, praktisch in einem Wasserwerk aufgewachsen und hat den Alltag beim Betrieb einer Kläranlage selbst kennenlernen dürfen. Er sagte Hilfe zu, den neuartigen Strukturbildner in der landwirtschaftlichen Praxis zu etablieren. Herr Kretschmer verabschiedete sich mit den Worten: »Bis zum nächsten Mal!«

Andreas Eichler

Information

Am 2. Juni 2021 soll auf einer Fachtagung in Niederfrohna die Buchdokumentation zum Verfahren vorgestellt und die Anlage der Fachöffentlichkeit vorgestellt werden.

Karin Heinrich/Steffen Heinrich: Klärschlammveredlung mit Pyrolyse. Vom Abfall zum Gartengold.

23,4 × 30,5 cm, fester Einband, Fadenheftung, Lesebändchen

404 Seiten, zahlreiche, meist farbige Fotos, Abbildungen, mit eingelegter Daten-DVD

VP 128,00 €

ISBN 978-3-96063-017-3

Erscheinungsdatum 28.2.2022

Die Litterata – Technik und Poesie in Mitteleuropa – ist ein Feuilleton des Mironde Verlags (www.mironde.com) und des Freundeskreises Gert Hofmann.

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