Frieder Bach erinnert an den 100. Geburtstag des Zschopauer DKW-Enthusiasten und späteren DKW-Motorradsammlers Erich Scheibner.
Unser Kennenlernen erfolgte auf dem »Sachsenring«-Oldtimermarkt, der sich damals, Anfang der achtziger Jahre noch im Nachbarort Oberlungwitz befand. Aufgrund seines Geburtsdatums 18. März 1921 konnte mir Erich aus eigenem Erleben berichten, was damals so los war in seinem Geburtsort Schlößchen nahe Zschopau, mit den Motorrädern.
Die meisten Mitglieder des dortigen Motorradclubs fuhren DKW, denn viele von ihnen verdienten ihre »Brötchen« beim Rasmussen. Mit diesem gemeinsamen Thema fanden wir schnell zusammen und ich erfuhr, dass Erich Scheibner erst seit Mitte der fünfziger Jahre in Mariensee nördlich von Hannover wohnte, nachdem er vorher in der DDR anderer Meinung gewesen war, als »die Partei, die immer Recht hat«! Seine Jugend war geprägt worden von der Natur und den Menschen des Erzgebirges. Bei letzteren im Wesentlichen von denen, die in einer der Fabriken arbeiteten, die J.S. Rasmussen in den Zwanzigern zur größten Motorradfabrik der Welt zusammengefügt hatte.
Deshalb standen in Erichs Erinnerungen immer seine Zeitgenossen im Vordergrund, die selbst tagtäglich mit Hand anlegten, dass diese hochwertigen Zweiräder auf die Straße kamen und ihre »Verwandten« mit der Ladepumpe am Motor laufend Siegerkränze nach Zschopau holten.
Die Erinnerungen an diese Menschen und die Erlebnisse mit ihnen erzählte er mir nicht nur, sondern schrieb sie in den achtziger und neunziger Jahren auch auf und vieles davon in seiner heimatlichen Mundart also auf »arzgebirgsch«. Eine kleine Kostprobe, die eventuelle auch für die DKW-Freunde an der Waterkant noch verständlich ist, füge ich mal ein: »Von der Bodemer-Kanzel (ein Felsen oberhalb des DKW-Werkes – F. B.) aus kunnt mer schie ofs DKW-Werk, of de Zschop un of ne Bahnhuf gucken. Do gabs immer wos ze sah, wenn mir Bub᾿m im Ratsbuusch warn. Do fuhrn die blaen DKW-Lastautos mit Motorrädern beloden vom Werk of ne Bahnhuf un dort wurdn die Maschien in de Waggons verstaut. A de Eifahrer, die unnerwegs warn kunnt mer von dr Kanzel schie beobachtn. Wenn Feierohmd war, standen beim »Dreieck« (Straßeneinmündung am Werkseingang – F.B.) de grußen Busse vom Kraftverkehr un of ne Bahnhuf zwee lange Züüch, dar aane fuhr nooch Chamtz (Chemnitz – F.B.), dar annere Richtung Annaberch, üm die DKW-Werker wieder a ham ze transportiern. Un ä Betrieb war of de Straßn, weil viele mit ihrn Motorradel e ham geknattert sei.«
Sein erstes Motorrad, eine RT 2,5 PS bekam Erich zum 16. Geburtstag geschenkt. Da mussten aber seine Eltern genau wissen, wie tief bei Erich schon das Interesse am Motorrad gedrungen war, denn die 150,– Mark für die silberne RT von 1935 war damals eben eine ganze Stange Geld. Wie man so ein Ding handhabt, hatte Erich schon beim »Schwarzfahren« geübt. Dadurch hatte er keine Probleme mit dem Motorrad auf dem Arbeitsweg nach Hainichen, den er zuvor mit seinem »Wanderer«-Fahrrad absolvierte. 1939 wurde die RT gegen eine gebrauchte KM 200 getauscht, des Soziussitzes wegen. Nach dem zwangsweisen langen Kutschieren mit einem Gespann SB 500 und einer NZ 350-1 als Kradmelder bei der Wehrmacht im Krieg, ging᾿s privat 1945 zunächst wieder mit einer RT 100 los. Dieser folgte eine zerlegte KS 200, die der DKW-Händler Otto Reißmann so vor der Requirierung bewahrt hatte. Ein Jahr später war sie dann wieder montiert und durfte auch zugelassen werden. Die KS tauschte Erich dann gegen eine SB 200, über die er schrieb: »Dos war ne scheene Maschien un war unner Familiengefährt. Ze viert hamm mer do alle drauf gesassen un gefahrn. Wie mer mal so durch Chamtz fahrn, mit so ner Bagagefuhr un an en Verkehrspolizist vorbei kam, hat dar bluß gruße Aang (Augen – F.B.) gemacht un gelacht. Dos söllt en mal heit passiern! 1952 hab ich᾿s Motorradel verkaaft un ho of Auto imgesattelt!«
Als er älter wurde, suchte er nach einem Hobby. Da seine erzgebirgische Heimatmelodie in ihm immer noch nachklang, musste das eigentlich etwas mit Holz tun haben. Laubsägearbeiten, Schnitzen und ähnliches erfüllten seine Freizeit aber nur für eine gewisse Weile. Seine Frau hatte für sich das Reisen entdeckt. Erich war aber sein eigenes Bett lieber als die Hotelschlafstätten. Außerdem hatte er zunehmend Probleme mit dem Asthma und war da lieber in Reichweite seines Arztes. Anfang der achtziger Jahre brach dann aber die »Krankheit« wieder aus, die er sich schon in der Jugend zugezogen hatte. Er begann Motorräder zu sammeln. Als Erich merkte, wenn er alle Serienmodelle die einst das Werk bis 1945 verließen, zusammentragen würde, reicht der Platz im Haus nicht aus, reifte in ihm ein Entschluss, der nicht ganz folgenlos blieb. Er betonierte das im Haus befindliche Schwimmbecken zu, das im Wesentlichen von seiner Frau genutzt wurde und hatte nun eine schöne Halle für seine Motorradsammlung. Diese wurde auch mit allerhand Zubehör und Bildmaterial ausgestaltet.
Als die Sammlung ein beträchtliches Maß erreicht hatte, grübelte Erich, wie er bewirken könne, dass nach seinem Ableben dieses mehrjährige Werk nicht wieder in alle Winde zerstreut würde.
Zu diesem Zweck nahm er Kontakt mit der inzwischen gegründeten Firma »Audi Tradition« auf und vereinbarte die Ausstellung seiner Schätzchen nach seinem Tod im geplanten Fahrzeugmuseum in Ingolstadt.
Die Festlegungen hierzu traf er mit Ralf Hornung, der seit Beginn der Auto Union-Traditionspflege in Ingolstadt sich um die hierfür erforderlichen Fahrzeuge kümmerte und dies heut noch tut.
Als das gläserne Gebäude zur Dokumentation aller Auto Union-Marken mittels derer Fahrzeuge in Ingolstadt fertig wurde, ging Erich auf seine »80« zu und gab schon etliche seiner »Motorradeln« in diese Ausstellung. Infolge guter Medikamente gegen seine Atembeschwerden konnte er sogar noch in hohem Alter seine geliebten Fahrzeuge benutzen und ein Fernsehsender drehte über sein Hobby einen Film, für den Erich im Winter noch eine Runde mit seiner E 300 drehte.
Seit Beginn seines »Ruhestandes« lebte Erich Scheibner mit und für »DKW«, was nicht in Vergessenheit geraten sollte. Den Gasgriff gab Erich erst mit fünfundneunzig, am 23. Juli 2016 aus der Hand.
Frieder Bach
Von Frieder Bach erschien zuletzt im Mironde Verlag:
Frieder Bach: Der letzte Auto Union Sportwagen aus Chemnitz.
23,0 × 23,0 cm, Brosch., 84 Seiten, 100 z.T. farbige Abbildungen und Fotos
VP 14,50 Euro
ISBN 978-3-96063-030-2
Frieder Bach, ein ausgewiesener Kenner der DKW- und Auto-Union-Geschichte, nimmt den Leser mit auf eine Entdeckungsfahrt. Der zufällige Archiv-Fund der Grobskizze eines Langstrecken-Sportwagens, der wegen des Zweiten Weltkrieg nicht gebaut werden durfte, regte den Autor 80 Jahre später zum Bau an. Schritt für Schritt werden wir Zeugen des einmaligen Vorganges. Frieder Bach musste sein gesamtes Wissen der Fahrzeuggeschichte einsetzen, um das Vorhaben zu Ende führen zu können. Dabei wurde er von zahlreichen Kollegen unterstützt. Eine Sternstunde des Kraftfahrzeug-Handwerks.
Erhältlich im Buchhandel oder direkt beim Verlag: www.mironde.com
Die Litterata – Technik und Poesie in Mitteleuropa – ist ein Feuilleton des Mironde Verlags (www.mironde.com) und des Freundeskreises Gert Hofmann.
Einmalig in der Geschichte, ein Leben für und mit Dkw. Sehr interessant.
Seine letzte Ausfahrt über 60 km absolvierte er im Sommer 2013 auf seiner RT 3PS im Schlepptau meines Bruders (RT175 S) und mir (SB200). Erich Scheibner prägte viele DKW – Leute in seiner neuen Wahlheimat Mariensee und umzu und auch heute noch erzählen wir gerne von Erich……Sein erstes Motorrad die RT 2,5 PS befindet sich heute noch in der Familie, seine letztes Motorrad die RT3 PS steht in meiner kleinen Sammlung, gegenüber. Glück auf…,der Nachbarsjunge….
Wie oft habe ich Stunden zugebracht in Erich´s Holzschuppen um wieder einmal für eine Maschine die Reglerpatronen einzustellen erinnere mich immer gerne auch an die Hulla treffen wo ich mit Erich´s Volksrad teilgenommen habe und ihm öfters wieder auf die Strecke helfen mußte Er war schon besonders