Reportagen

DER LETZTE AUTO UNION SPORTWAGEN AUS CHEMNITZ

Am Abend des 5. September stellte Frieder Bach in der Niederfrohnaer Begegnungsstätte LINDENHOF sein Buch über den letzten Sportwagen der Auto-Union aus Chemnitz vor. Eingeladen hatte der Heimatverein Niederfrohna.

Der 5. September war ein warmer Spätsommertag. Der Heimatverein begrüßte mehr als 40 Gäste, die den Weg in den LINDENHOF gefunden hatten. Darunter befanden sich zahlreiche Kenner der Fahrzeugentwicklung aus der Region. Eingeleitet wurde die Veranstaltung mit einem kurzen Film: Frieder Bach präsentierte den Zuschauern im Fahrzeugmuseum Chemnitz den Sportwagen, den er nach dem Fund einer Entwurfszeichnung im Winter 2019/2020 verwirklichte. Das Auto war für die Langstreckenfahrt Berlin-Rom gedacht. Wegen des begonnenen Zweiten Weltkriegs fiel das Rennen aus und das Auto wurde nicht gebaut. Die Chemnitzer Entwicklungsabteilung der Auto-Union legte die Zeichnung zur Seite, sie wurde archiviert und vergessen. Durch Zufall sah Frieder Bach das Blatt bei Archiv-Recherchen und stellte sofort die Querverbindungen her. Als er die Signatur des legendären Gestalters Günther Mikwausch und des bekannten Konstrukteurs Arthur Kordewan sah, stand sein Entschluss fest: das Auto muss gebaut werden. Durch Zufall kam er mit Sören Scheffler in Kontakt, der beim Chemnitzer Fraunhofer Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik eine spezielle Blechbearbeitung entwickelt. Das Institut produziert darauf die Rohfassung einer Karosserie, die Frieder Bach an das Auto anpasste. Frieder Bach zeigte im Film, wie er viele Details (Rücklichter, Nummernschildbeleuchtung, Türeinbindung, Lüftungsöffnungenu.a.), die im Grobentwurf nicht dargestellt waren, im Sinne der F 9-Ausstattung erfinden musste.

Die Zuschauer verfolgten aufmerksam den anschaulichen Filmbericht über Frieder Bach Erläuterungen am Sportwagen.

In seinem Vortrag erinnerte Frieder Bach dann an die Vorgeschichte des Langstrecken-Rennwagens in der Region Chemnitz-Zwickau. Von der spektakulären Entwicklung des Frontantriebs bei DKW, bis hin zum ersten, von Dr. Carl Hahn sen. forcierten Ganzmetallprojekt F 9. (Bis zum F 8 waren die Rahmen der Karosserie aus Holz.)

Auf der Basis des F 9-Prototyps (auch der konnte erst nach Kriegsende in Serie gehen) wurde der Langstrecken-Sportwagen konzipiert. Der in Chemnitz entwickelte 3-Zylinder-Zweitaktmotor mit 34 PS war eine geniale Verbindung von Leistungsfähigkeit, Zuverlässigkeit und Sparsamkeit. Die extreme Stromlinienform des Sportwagens sollte damit Geschwindigkeiten bis 160 km/h ermöglichen. Frieder Bach verwies darauf, dass hier nahezu das Gegenteil der US-Autoentwicklung praktiziert wurde: nicht mit simpler Motorvergrößerung sondern mit Intelligenz erhöhte man die Leistungsfähigkeit. (In Schwarzenberg praktizierte man 1938 bereits das Pressen der Blech-Karosserie aus dem Ganzen, das sogenannte Tiefziehen.)

Frieder Bach zeigte im Bild den Prototyp eines F 9-Roadsters, der Ende 1949 konzipiert und bereits 1950 zur Leipziger Messe ausgestellt wurde, und die Fachwelt wie die Laien begeisterte. Aber dieses Auto konnte nicht in hohen Stückzahlen gebaut werden, weil die DDR durch die Besatzungszonen-Teilung und bestehende westliche Embargen von früheren Rohstofflieferanten abgeschnitten wurde. 

Ein Raunen ging durch die Zuschauerreihen als Frieder Bach ein Foto vom Zustand des F 9-Roadsters zeigte, wie er 50 Jahre später in einer zusammengefallenen Garage im Berliner Umland aufgefunden wurde. Frieder Bach hob hervor, dass die Oldtimer-Restaurierungsfirma seines Sohnes den Wagen nicht wieder in den Zustand der „Fabrikneuheit“ versetzte. Man reinigte das Fundstück und bewahrt es im Museum auf. Jeder Eingriff würde Originalsubstanz zerstören. Obwohl die Oldtimer-Restaurierung in den letzten Jahrzehnten große Fortschritt machte, junge Leute erlernten die nahezu verschwundenen Berufe des Polsterers, des Karosserie-Klempners u.a., weiß man den Erhalt der unersetzbaren Originalsubstanz zu schätzen.

Das Publikum dankte Frieder Bach mit herzlichem Beifall für sein Engagement. Birgit Eichler vom Heimatverein Niederfrohna dankte Frieder Bach mit einer auf besondere Weise verpackten Flasche sächsischen Weines.

Kommentar

Während Frieder Bach seine Bücher signierte, gingen uns einige Dinge durch den Kopf. Er erinnerte uns daran, dass im Chemnitzer Fahrzeugmuseum ein großer Teil des technologischen Wissens der Auto-Union (DKW, Wanderer, Horch, Audi) der Fahrzeugentwicklung vom Fahrrad über das Fahrrad mit Hilfsmotor, das Motorrad, das Dreirad bis zum Auto bewahrt wird. In seinem Buch „Fahrzeugspuren in Chemnitz. Teil 1“ hatte Frieder Bach dokumentiert, dass etwa 450 kleine Firmen die Voraussetzungen für die Spitzen-Fahrzeugproduktion schufen. Mittelfristig wird die heutige Industrie „automatisch“, nahezu ohne Menschen produzieren. Eintönige und besonders schwere Arbeiten kann ruhig eine Maschine übernehmen. Aber Frieder Bachs Hinweis, dass die per Computersteuerung gefertigte Karosserie erst bearbeitet werden musste, um verwendungsfähig zu sein, trifft einen interessanten Punkt. Handwerkliche Kenntnisse bilden die unverzichtbare Grundlage der „Automatisierung“ und Handwerksbetriebe bilden die Grundlage für die konkrete Nutzbarmachung der abstrakten industriellen Fabrikate. Mit der Fähigkeit zur Anwendung ist das Handwerk die Basis aller Innovation. Das Handwerk ist mit der Struktur der eigentümergeführten Familienbetriebe verbunden. Die eigentümergeführten Familienbetriebe bilden, wie die Familie, die Grundlage jeder Gesellschaft. Wenn Mitteldeutschland, die Region zwischen Braunschweig und Görlitz, die Erneuerungsregion der deutschen Geschichte ist, dann finden wir in der Industrieregion Chemnitz-Zwickau die konzentrierte mitteldeutsche Mentalität.

Es ist nur scheinbar ein Paradox, dass uns ausgerechnet die Oldtimer-Restaurierung auf Zukunftsaufgaben hinweist. Das Zurückgehen zur Basis ist seit Jahrtausenden der Weg für einen notwendigen Neuanfang.

Frieder Bach ist für seine beharrliche, jahrzehntelange Tätigkeit im Sinne einer lebensfähigen, zukunftsorientierten Wirtschaft der Region, dem rührigen Heimatverein Niederfrohna ist für die Auftrittsmöglichkeit für Persönlichkeiten wie Frieder Bach zu danken.

Clara Schwarzenwald

Information

Frieder Bach: Der letzte Auto Union Sportwagen aus Chemnitz. Mit einem Geleitwort von Prof. Karl Clauss Dietel; 

23,0 × 23,0 cm, Brosch., 120 Seiten, mehr als 100 z.T. farbige Fotos 

VP 14,50 Euro ISBN 978-3-96063-030-2

http://buchversand.mironde.com/epages/es919510.sf/de_DE/?ObjectPath=/Shops/es919510/Products/9783960630302

Beziehbar über jede Buchhandlung oder direkt beim Verlag

Der Buch-Rückentitel: Frieder Bach und sein Sohn Torsten nach vollbrachtem Werk.

Die Litterata – Technik und Poesie in Mitteleuropa – ist ein Feuilleton des Mironde Verlags (www.mironde.com) und des Freundeskreises Gert Hofmann.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert