Reportagen

AUS DER WERKSTATT DER NATUR

Am 9. März 2023 eröffnete das Zwickauer August-Horch-Museum eine Ausstellung unter dem Titel „Windschnittig? Automobil und Aerodynamik. 1900–1945.“ Die Stiftung „Fachsenfeld“ stellte für diese Ausstellung den berühmten DKW-Rekordwagen zur Verfügung. Vor etwa 30 Jahren restaurierte ich diesen Wagen und stellte nun fest, dass wir nie eine Dokumentation darüber zu Papier brachten. Das haben wir jetzt nachgeholt: „Aus der Werkstatt der Natur. Der DKW Weltrekordwagen des Freiherrn Reinhard von Fachsenfeld.“

Frieder Bach, dritter von links mit weißer Mütze, war in Garitz noch nicht richtig ausgestiegen und musste bereits Fragen beantworten.

Die Geschichte fing im Sommer 1982 und auf einer Wiese am Rande des Dorfes Garitz bei Zerbst, hinter dem Kulturhaus der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft, an. Hier versammelten sich seit 1964 jedes Jahr an einem Wochenende viele Fahrer und Liebhaber von DKW- und IFA-Autos zu einer gemeinsamen Ausfahrt am Sonnabend und zum Austausch von Ersatzteilen und Erfahrungen zwecks Erhaltung und Verbesserung ihrer nicht mehr ganz jungen Fahrzeuge. DKW-Autos mit Frontantrieb wurden seit 1931 hergestellt und nach dem Zweiten Weltkrieg unter dem Firmenzeichen IFA bis Ende der fünfziger Jahre fast unverändert weitergebaut. Bei diesem Treffen sprach mich ein DKW-Freund an, ob ich Fotos und andere Dokumente über die von dieser Firma in geringer Stückzahl hergestellten Rennwagen hätte. Nach eingehender Diskussion, ob er denn nicht die Rennwagen der Auto Union meine, über die es zahlreiche Fotos von ihren bekannten Rennsiegen und vorderen Platzierungen gibt, zeigte er mir ein kleines Bild von einem Auto, das mit etwas gutem Willen als »Rennwagen« zu identifizieren war und dann berichtete er mir, was er über dieses Fahrzeug wusste. Mir war bekannt, dass es von der Rennversion der Frontantriebswagen nur »eine Hand voll« gegeben hatte. Sofort war mein Interesse als Sammler dieser Marke geweckt. Im weiteren Gespräch stellte sich heraus, dass sein Auto nicht mehr den originalen Rennmotor besaß. In meiner Teilesammlung vermutete ich den hierzu passenden Motor zu besitzen und äußerte dies. Dadurch ergab sich im Gespräch ein Hin und Her: Er wollte für das Auto den passenden Motor von mir haben und ich von ihm das Auto für meinen Motor. 

Es dauerte noch zwei Jahre, bis sich der Wagen auf den Weg nach Karl-Marx-Stadt machen konnte. Doch ein LKW fuhr auf unseren Transport auf. Das, was der Abschleppdienst danach vor meiner Werkstatt ablud, hatte leider nur noch wenig mit dem zu tun, was sich jemand unter »DKW-Rennwagen« vorstellt. Es wurde alles im Schuppen zwischen den anderen »Sammlerstücken« für die nächsten Jahre untergebracht. 

Durch einen Zufall lernte ich den Schweizer Fahrzeughistoriker Hans-Peter Bröhl kennen, der sich mit den Stromlinienpio­nieren Paul Jaray (1889–1974), Wunibald Kamm (1893–1966) und Reinhard von Koenig-Fachsenfeld (1899–1992) beschäftigte. Ich erzählte ihm, dass ich auch etwas besaß, das einmal ein stromlinienförmiges Auto gewesen war und aus dem Hause DKW stammte. Da ihn das interessierte, besuchte er mich kurze Zeit später in Karl-Marx-Stadt. Er untersuchte den DKW-Rennwagen bzw. seine Reste ausgiebig und fand unter anderem, dass das Fahrgestell mal weiß lackiert gewesen war. Wenn man den jahrzehntealten Dreck am Fahrgestell entfernte, kam an diesen Stellen weißer Lack zum Vorschein. Dazu berichtete H.-P. Bröhl, dass die Fahrgestelle der DKW-Werkswagen schwarz lackiert waren und nur das Gestell des Fachsenfeldschen Rekordwagens weiß gewesen sei. Auch die Ausbeulung des Rahmens für die Ladepumpe hatte er entdeckt, die allerdings auch die Werksrenner hatten, denn die Motoren waren von gleicher Bauart. Der Lufteinlass vor dem Kühler war offensichtlich mal geändert worden und erinnerte an die Form des Einlasses, wie sie bei den Cooper-Rennwagen Anfang der fünfziger Jahre gebräuchlich waren. Zum Vergleich suchte ich ein Foto aus meinem Archiv, das den Braunschweiger Rennfahrer Kurt Kuhnke in seinem »Cooper« zeigt. Leider sah H.-P. Bröhl am DKW keine Fahrgestellnummer. Diese fanden wir erst nach dem Ausbau des Motors vom DKW F 7, der etwas länger ist als der F 1-Motor bzw. dessen Ladepumpenvariante. Die hintere Aufhängung des falschen Motors hatte die Nummer überdeckt.

Aus dieser Perspektive sah die Konkurrenz Reinhard von Koenig-Fachsenfeld

Bröhl interessierte die Fahrgestellnummer insofern, ob der dadurch feststellbare ungefähre Fertigungstermin mit dem Termin des Erwerbs des Fahrgestells durch den Freiherrn Reinhard von Koenig-Fachsenfeld übereinstimme. Nach dem Ausbau des Motors kam anhand der Fahrgestellnummer als Termin der Herstellung Anfang Juli 1931 heraus, mit Hilfe der von Thomas Erdmann recherchierten Fabrikationslisten der Firma DKW. Dieses Datum harmonierte mit dem des Verkaufs an den schwäbischen Freiherrn. Hans-Peter Bröhl berichtete mir nach seiner Inaugenscheinnahme des DKW-Rennwagens, dass dies mit großer Wahrscheinlichkeit das Fahrzeug sei, für das der Stromlinienkonstrukteur Reinhard von Koenig-Fachsenfeld im Sommer 1931 bei der Firma Vetter in Cannstatt eine von ihm entworfene spezielle Karosserie bauen ließ, um im Herbst des gleichen Jahres auf der Rennbahn von Montlhéry bei Paris wieder Weltrekordversuche zu fahren. Gleiches hatte er schon 1930 im Herbst mit Erfolg getan, wobei er einen DKW-Sportwagen benutzte, der mit einem Rennmotor ähnlicher Bauart wie 1931 ausgerüstet war.

Die Restaurierung war dann eigentlich fast einfach.

Frieder Bach

Information

Die Ausstellung im August Horch-Museum Zwickau ist noch bis zum 22. Oktober 2023 zu sehen. 

https://www.horch-museum.de/termine.php?id=66

Frieder Bach: Aus der Werkstatt der Natur. Der DKW-Weltrekordwagen des Freiherrn Reinhard von Koenig-Fachsenfeld. Broschur  21 × 21 cm  etwa 48 S., 100 z. T. farbige Fotos und Abbildungen 

VP 14,50 

ISBN 978-3-96063-055-5

Erhältlich in jeder Buchhandlung oder direkt beim Verlag: https://buchversand.mironde.com/p/aus-der-werkstatt-der-natur-der-dkw-weltrekordwagen-des-freiherrn-reinhard-von-koenig-fachsenfeld

Buchpremiere

Buchmesse Leipzig, 27. April 2023, Stand Mironde-Verlag, Halle 4/A200, 13.00 Uhr

Museum für Sächsische Fahrzeuge Chemnitz, 4. Mai 2023, 18.30 Uhr

Die Litterata – Technik und Poesie in Mitteleuropa – ist ein Feuilleton des Mironde Verlags (www.mironde.com) und des Freundeskreises Gert Hofmann.

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