Reportagen

Lesung in der Klis’schen Buchhandlung

Vor einigen Tagen war es mir so gewesen als hörte ich in der Abenddämmerung eine Amsel singen. Eine Frühlingsbotschaft? Doch der Winter, der Alte, leistet, wie in allen Zyklen der Natur, ernsthaften Widerstand. Naive Hoffnungen auf den leichten, bequemen Weg zum Frühling vermag er allemal noch zu enttäuschen. Mit Schneeregen beherrschte er aus dem Gebirge heraus den ganzen 24. Februar. Selbst der Abend erschien uns, trotz des Vollmondes, dunkel, kalt und nass. Die Straßen in Hohenstein-Ernstthal waren nahezu menschenleer. Der Rinnsteig glänzte schwarzwässrig. Doch war mir als hörte ich auf dem Weg zur Weinkellerstraße einige Liedfetzen, die wie »Downtown Train« klangen. Ein Straßenmusikant in Hohenstein-Ernstthal? Um diese Zeit?

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Da tauchten aus dem Dunkel schon die hell erleuchteten Schaufenster der Klis’schen Buchhandlung vor mir auf. Ein kleines Publikum hatte sich versammelt. An den Wänden Bücher, in den Regalen Rotwein und in den Vitrinen Zigarren. Hier wollte ich sein.

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Rainer Klis (re.), der die schweren Berufe des Schriftstellers und des Buchhändlers in seiner Person vereinigt, begrüßte mit Freude Henry Kreul, der an diesem Abend an den 90. Geburtstag von Erich Loest erinnern wollte.

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Henry Kreul stellte dem Publikum große Teile des Lebenslaufes von Erich Loest vor. Er hatte aus autobiographischen Schriften Passagen ausgewählt, die er ausgiebig zitierte.

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Weil die Zeit dann doch knapp wurde, kam es leider nicht mehr zum Vortrag eines längeren literarischen Textes von Erich Loest. Kreul deutete zwar auf Loests Karl-May-Novelle, las aber dann doch den Text nicht, sondern erinnerte daran, dass nach Mitternacht der Geburtstag Karl Mays beginne.

Das Publikum dankte Henry Kreul für seinen Vortrag. Vielleicht greift der eine oder andere wieder einmal zu einem Text von Loest. Das wäre vielleicht der schönste Lohn für die Mühe von Henry Kreul. Ihm gebührt unser Dank.

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Das kleine aber lustige Publikum verweilte noch länger bei Gesprächen und Diskussionen, bei Häppchen und Saft, Zigarren und Wein. Der Klis’schen Buchhandlung ist wieder einmal für die Mühe und Gastfreundschaft zu danken.

Kommentar

Es sind übrigens gerade die kleinen Buchhandlungen in unserem Land, die in einer Zeit der Reduktion von Bildung auf »relevantes Spezialwissen«, in den großen und kleineren Städten, mit hohem Einsatz die Grundlegung unserer Bildung in der Lite­ratur stärken.

Die beste »Förderung« der kleinteiligen Struktur des Bucheinzelhandels, wie anderer Branchen auch, wäre vielleicht die drastische Reduktion der Besteuerung von kleinen und mittleren Arbeitseinkommen. Die notwendigen Mittel würden vielleicht durch die Beendigung der Subventionierung von Großeinkommen und Spekulationsgewinnen frei.

Wenn allein »Größe« die Lösung der Probleme unseres Lebens wäre, gäbe es die Saurier noch. Mutter Natur setzt für ihre Stabilisierung statt dessen auf Vielfalt.

Die Grundlagen und Hintergründe für solche Vorschläge findet man in Büchern aus den Buchhandlungen und Antiquariaten.

Johannes Eichenthal

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