Der Mironde Verlag kündigte seit mehreren Jahren das Buch von Karin und Steffen Heinrich VOM ABFALL ZUM GARTENGOLD – KLÄRSCHLAMMVEREDLUNG MIT PYROLYSE an. Immer wieder verzögerte sich die Fertigstellung der Dokumentation eines europäischen Pilotprojektes. Viele Enthusiasten erwarten das Buch schon lange. Am 1. März 2022 ging es in Zwickau in den Druck. Am 15. März kann die Auslieferung beginnen. Clara Schwarzenwald nutzte die Gelegenheit des Andrucks, um Dr.-Ing. Steffen Heinrich nach der Quintessenz des Buches zu fragen.
Herr Heinrich, das Buch dokumentiert die Planung und Entwicklung der Anlage zur Trocknung und Zerlegung von Klärschlamm. Nebenbei gibt es viele Zusatzinformationen, um die Zusammenhänge verstehen zu können. Der Kern des Ganzen ist, wie es im Buchtitel bereits genannt wird, das Pyrolyse-Verfahren. Was verbirgt sich hinter dem Ausdruck Pyrolyse?
Dr.-Ing. Steffen Heinrich: Das Wort kommt aus dem Griechischen. Man bezeichnet damit eine Stoffumwandlung bei hoher Temperatur unter Ausschluss von Luftsauerstoff. Wir haben dieses Verfahren für die Aufspaltung von Klärschlamm adaptiert. Damit wird in unserer Anlage im Klärwerk Niederfrohna (40.000 EW) seit zwei Jahren eine phosphorhaltige Biokohle hergestellt.
Was ist das innovative an der Pyrolyse?
Dr.-Ing. Steffen Heinrich: Das Grundprinzip der Pyrolyse gehört zum altbekannten Wissen der Menschheit, z.B. als Methode zur Herstellung von Holzkohle. Neuartig ist aber die Erweiterung des Anwendungsgebietes auf die kommunale Abwasserbehandlung, um im Klärwerk anfallenden Klärschlamm gar nicht erst zu Abfall werden zu lassen, sondern daraus an Ort und Stelle ein nützliches, begehrtes und umweltfreundliches Produkt zu machen.
Die etablierte Wissenschaft, die Ministerialbürokratie und große Entsorgungsunternehmen haben sich darauf festgelegt, dass jede anderweitige thermische Wandlung von Klärschlamm als die althergebrachte Verbrennung per Verordnung praktisch auszuschließen sei, weil ja lediglich Klärschlamm-Asche, also das Produkt der Verbrennung, oder ein daraus gewonnener Extrakt als P-Düngemittel zugelassen seien.
Wir wollen nicht fragen, unter welchen Umständen die Zulassung erfolgte und warum als Düngemittel.
Wesentlich ist, dass man versucht, die technologische Entwicklung auf ein Verfahren zu verengen, weil jenes vielleicht vor 15 oder 20 Jahren einmal als innovativ gegolten hatte.
Dabei nimmt man billigend in Kauf, dass dieser Ausschluss zumindest hinsichtlich der Pyrolyse gegen die höherrangigen Beschlüsse der Europäischen Union zum Klimaschutz verstößt (Green Deal, Europäisches Klimagesetz), wonach solche Technologien zu bevorzugen sind, die zu einer Verringerung des Ausstoßes von Treibhausgasen führen.
In Deutschland verwendete P-Mineraldünger aus importiertem Rohphosphat weisen einen ökologischen Fußabdruck im Bereich von +0,8 bis +1,3 kg CO2/kg P2O5 auf, und die Gewinnung von Phosphat aus Klärschlamm-Asche führt mindestens zu demselben klimaschädlichen Ergebnis von durchschnittlich +1,2 kg CO2/kg P2O5. Demgegenüber schneidet beispielsweise das bei uns auf der ZKA Niederfrohna aus kommunalem Klärschlamm erzeugte Karbonisat etwa bei der Nutzung als Phosphatdünger um knapp 252 Prozent besser ab. Denn damit gelingt eben sogar eine Bindung (Sequestrierung), also eine echte Rückführung von Kohlendioxid aus der Atmosphäre von (-)1,82 kg CO2/kg P2O5.
Allein dieser äußerst wichtige Fakt scheint den Ministerialbeamten bei ihrem Vorstoß vollkommen nebensächlich zu sein – ebenso das von der EU postulierte Ziel einer abfallfreien Kreislaufwirtschaft („Zero Waste Technology“), welches die Klärschlammpyrolyse ja weitestgehend erfüllen kann. Indessen verkörpern die Klärschlammverbrennung und erst recht die anschließende Herauslösung von Phosphat aus der Asche das Gegenteil.
Abgesehen davon ist der Ausschluss von aus kommunalem Klärschlamm hergestelltem Karbonisat als Düngemittel, auf welchen man abhebt, genauso widersinnig und sachlich unbegründet, also willkürlich.
Ist das, was Sie beschreiben, Innovationsfeindlichkeit?
Dr.-Ing. Steffen Heinrich: Es handelt sich zumindest um die für die meisten Menschen typische Bequemlichkeit. Man hat ein bestimmtes Verfahren zum Laufen gebracht und etabliert, und will es ungeachtet der veränderten Randbedingungen und Anforderungen bis in alle Ewigkeit konservieren. Das Konservative von heute ist das Innovative von gestern und das Innovative von heute ist das Konservative von morgen. (Nach Walther Rathenau.) Es geht also nicht darum, uns Vorwürfe zu machen. Vielmehr brauchen wir eine neue Denkweise vom permanenten Lernprozess, die Innokonservation, wie es Ihr Kollege Eichenthal einmal nannte. Die Aufgabe, vor der die Menschheit steht, und die die EU mit dem Ziel einer abfallfreien Kreislaufwirtschaft („Zero Waste Technology“) formulierte, besteht in der Einordnung in den Naturkreislauf. Das bedeutet für die europäische Wirtschaft und Wissenschaft einen Paradigmenwechsel. Der Naturkreislauf ist nicht etwas „neben“ unserem Leben, wie man in den letzten 500 Jahren in der Wissenschaft annahm, sondern wir sind Teil des Naturkreislaufes.
Das von uns in den Klärwerksbetrieb eingebettete Verfahren ist ein Schritt in diese Richtung.
Sehr geehrter Dr.-Ing. Steffen Heinrich, vielen Dank für das Gespräch.
Clara Schwarzenwald
Information
Karin Heinrich/Steffen Heinrich: Klärschlammveredlung mit Pyrolyse. Vom Abfall zum Gartengold.
23,4 × 30,5 cm, 400 Seiten, fester Einband, Fadenheftung, 2 Lesebändchen
Das Buch enhält 226 Fotos, 3 Karten, 56 Abbildungen 43 Tabellen und Diagramme.
Der Anhang enthält ergänzende Materialien zum Buch in digitalisierter Form (Filmaufnahmen, Dokumente, Versuchsprotokolle, Untersuchungsprotokolle und Prüfprotokolle von labortechnischen Untersuchungen).
VP 128,00
ISBN 978-3-96063-017-3
Erscheint am 15. März 2022
Erhältlich in allen Buchhandlungen oder direkt beim Verlag: https://buchversand.mironde.com/epages/es919510.sf/de_DE/?ObjectPath=/Shops/es919510/Products/9783960630173