Der Mironde-Verlag blieb sich auch im sechsundzwanzigsten Jahr seines Bestehens treu. Der unabhängige, transdisziplinäre, innokonservative Kleinverlag baute das Programm weiter aus. Neben sogenannten „Longsellern“ stehen einige ausgewählte Neuerscheinungen. 2025 organisierte der Verlag zudem so viele Buchvorstellungen und Diskussionen, wie noch nie in seiner Geschichte. Dafür verzichtet er vollständig auf die Teilnahme an Großbuchmessen. Wie soll es 2026 im Detail weitergehen? Wir sprachen mit Dr. Andreas Eichler, de im Verlag für das technische Lektorat und den Vertrieb verantwortlich ist.
Welche Schwerpunkte hatte der Verlag 2025?

AE: Da ist zuerst das Werk Frieder Bachs zu nennen. In der Nachfolge Siegfried Rauchs machte er uns geduldig und umfassend die bleibende Bedeutung des Fahrzeugherstellers DKW für die Region Zwickau-Erzgebirge-Chemnitz klar. Der dänischen Firmengründer Jörgen Skafte Rasmussen wollte zuverlässige, einfache, preiswerte Fahrzeuge herstellen. Er war der erste, der die seinerzeit verpönte Zweitakttechnik und den revolutionären PKW-Frontantrieb in industrielle Fertigung überführte. Frieder Bach wird nicht müde zu erklären, dass die Fusion der insolventen Firmen Audi und Horch sowie der Wanderer-Fahrzeugsparte zur Auto-Union eigentlich allein von DKW getragen wurde. Rasmussen hatte ein Netz von Zulieferern erworben und unter dem „Dach“ DKW zusammengeführt. Diese Breite und die Schwerpunktsetzung (einfache, zuverlässige, preiswerte Fahrzeuge) ermöglichte das Überleben in der Weltwirtschaftskrise. Um so verheerender war die Auswirkung der Verdrängung Rasmussens aus dem Aufsichtsrat durch die sächsische Regierung 1934. Rasmussens engste Mitarbeiter Carl Hahn und Hermann Weber sicherten dennoch die Kontinuität. Die Produktionserfahrungen der neu gegründeten Auto-Union reichten von Fahrrädern über Motorräder bis zu PKW. Den dabei entwickelten Dreizylinder-Zweitaktmotor von 1938 bezeichnet Frieder Bach und Siegfried Rauch, als logischstes Antriebssystem. Mit zwei Takten entwickelt der Motor soviel Kraft, wie andere mit vier oder mehr. Die Kombination mit synthetischen Kraftstoffen, die in Freiberg entwickelt wurden, könnte den Zweitaktmotor zukunftsfähig machen. Das wäre ganz im Sinne Frieder Bachs, der das vorhandene Wissen weitergeben will, um den Neustart zu erleichtern.

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Zweitens sind die Forschungsergebnisse von BuildingSmart Austria zu nennen, die wir in der Reihe BIMCert-Handbuch auch den deutschen Lesern zugänglich machen. Die beiden Herausgeber Prof. Dr. Christian Schranz und Christoph Eichler versammeln hochkarätige Autoren aus ganz Europa. Wir haben auch eine englische Fassung im Programm, eine italienische und eine französische sind in Vorbereitung. Diese neue Generation von Bausoftware macht die Betrachtung des gesamten Lebenszyklus von Gebäuden möglich. Das dabei entstehende digitale Modell erschließt die Gesamtheit der Gebäudeinformationen, das ist von Vorteil bei großen Reparaturen oder einem Besitzerwechsel. Nicht nur der Ressourcenverbrauch bei der Errichtung, auch die Ressourcenverwertungsmöglichkeit beim Abriss wird erfassbar.

Drittens ist das „Pyrolyse-Projekt“ des ZV Frohnbach zu nennen. Am 13./14. November lud der ZVF zu einer Tagung über Humusaufbau und regenerative Landwirtschaft ein. Unsere Dokumentation „Vom Abfall zum Gartengold. Klärschlammveredlung mit Pyrolyse“ hat mittlerweile den Rang eines weit verbreiteten Standardwerkes errungen. Es ist dem Anschein nach sehr selten, dass nahezu zeitgleich mit der Entwicklung einer innovativen Technologie die zugehörige Dokumentation des Verfahrens veröffentlicht wird. Die beiden Autoren Prof. Dr.-Ing. Karin und Dr.-Ing. Steffen Heinrich legten ein informatives und verständliches Buch vor. Dabei spielen auch zahlreiche Abbildungen die Rolle einer transdisziplinären Vermittlung. Besucher aus aller Welt kommen mittlerweile in das Klärwerk des ZV Frohnbach, um die Anlage in Augenschein zu nehmen.

Viertens unsere Veröffentlichungen zur erzgebirgischen Bergbau-Geschichte. Von Prof. Dr. Friedrich Naumann stammt eine umfassende Darstellung des Technologie- und Wissenstranfers zwischen dem Königreich Sachsen und dem Russischen Reich im 18. Jahrhundert. Beide Länder waren durch das sächsische Polen-Abenteuer zeitweise Nachbarn, so dass zu einem regen Austausch wischen Zar Peter dem Großen und Kurfürst August dem Starken kam.

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Michael Schuster versucht geduldig auf den in Annaberg aufgewachsenen Lazarus Ercker (1528/30–1594) aufmerksam zu machen, der hier auch die Schulen besucht. Nach dem Studium an der Universität Wittenberg wurde er der Begründer der analytischen Chemie im Montanwesen und Aufseher über alle Bergwerke bei Kaiser Rudolf II. in Prag. Ercker gehörte neben Georgius Agricola (1494–1555) und Vannoccio Biringuccio (1480–1538) zu den Autoritäten des Montanwesens.

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Aus der Feder des leider zu früh verstorbenen Günther Eckart stammt eine anregende und weitsichtige Studie über Altbergbau im Erzgebirge. Mittlerweile haben sich einige seiner Vermutungen bestätigt. So wurden 3500 Jahre alte Spuren von Zinnabbau im Ost- und Westerzgebirge gesichert. Günter Eckart hatte auch darauf verwiesen, dass sich damals die erste frühbronzezeitliche Kultur Europas von der Westslowakei bis zum Harz erstreckte. Das erzgebirgische Zinn muss also irgendwo mit 90 Prozent Kupfer zu Bronze verschmolzen worden sein. Günter Eckart vermutete, dass so etwas auf dem Gelände der späteren Kaiserpfalz Memleben geschah. Auf engem Raum häufen sich dort hochkarätige archäologische Funde.

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Fünftens ist die Veröffentlichung von Heiner Unger „488 Jahre Papier aus Penig“ zu nennen. Der Autor stellt die Geschichte „seiner“ Papierfabrik, in der er fast ein Arbeitsleben lang tätig war, nüchtern und zugleich liebevoll dar. Anlass für die Publikation war der Rückzug der Felix Schoeller AG aus Penig Mitte des Jahres 2025. Danach wurde ein neuer Betreiber gesucht. Kenner wissen, dass die Papierfabrik Penig bis dahin die älteste, noch an ihrem Gründungsstandort produzierende Papierfabrik war. Über 488 Jahre sammelten die Peniger Papiermacher Erfahrungen mit so ziemlich allen Papiersorten. In den letzten Jahrzehnten erfolgte eine Spezialisierung auf Dekorpapier. Gleichzeitig wird heute das Fehlen von Produktionskapazitäten für Buchdruckpapier in Deutschland konstatiert …

Sechstens ist der Abschluss unserer Reihe „Literarische Wanderung durch Mitteldeutschland“ zu nennen. Am 23. April, dem Welttag des Buche, erfolgte die Premiere des abschließenden dritten Bandes „Von Thomas Mann bis Gundermann“ in der „Stadtbibliothek Gert Hofmann“ in Limbach-Oberfrohna. Einfach ausgedrückt ist die Reihe eine historische Ergänzung zu den technischen Büchern im Verlagsprogramm. Wir fragten nach den Ursachen der technologischen Kreativität in Mitteldeutschland, der Sprachlandschaft zwischen Braunschweig und Görlitz. Letztlich war es der Übergang von der althochdeutschen zur mittelhochdeutschen Sprache zwischen dem 11. und 13. Jahrhundert. Hier sprach auch die Funktionselite nicht mehr Latein. Diese sprachliche Erneuerung begründete die Erneuerung des Denkens. Nahezu alle Erneuerungsbewegungen der deutschen Geschichte entstanden in dieser Region. Der Autor versucht den Prozess mit der Darstellung herausragender Personen fassbar zu machen. Die Persönlichkeiten sind nach ihren Geburts-Jahrgängen angeordnet. In gewissem Sinne handelt es sich um eine Enzyklopädie, jedoch weder alphabetisch noch nummerisch geordnet, sondern genetisch. Das Wort Enzyklopädie bedeutet eigentlich einen Kreis des Wissens schließen. Es geht den Autor um den Kreis des in 800 Jahren überlieferten Wissens in unserer Region. Er geht dabei, wie Johann Gottfried Herder, von einer weiten Literaturauffassung aus. Techniker, Naturwissenschaftler, Mediziner, Juristen sind in dieser Reihe neben Literaten vertreten.

Wie steht es mit Neuerscheinungen für 2026?
AE: 2026 wird bei uns die Festschrift zum 100. Gründungsjubiläum der Goethe-Gesellschaft Chemnitz erscheinen. Der Vorsitzende der Gesellschaft, Siegfried Arlt, versammelte namhafte Wissenschaftler, Geleitworte stammen vom Ministerpräsidenten des Freistaates, vom Präsidenten der Goethe-Gesellschaft Weimar und vom Oberbürgermeister der Stadt Chemnitz.
Gemeinsam mit Frieder Bach bereiten wir ein Buch mit dem Titel „Wie die Stadt Chemnitz zu einem Fahrzeugmuseum kam“ vor. Das Sächsische Fahrzeugmuseum entstand aus bürgerschaftlicher Eigeninitiative und ist heute die bedeutendste Erinnerungsstätte an die Leistungen von DKW und Auto-Union in Chemnitz.
Der Mediziner Dr. Dieter Schwartze hat nach seinen Einführungen in Leben und Werk des Kardiologen Rudolf Zuckermann und des Kreislaufforschers und Prominentenarztes Janosch Plesch nun eine ebensolche Einführung in Leben und Werk des Wiener experimentellen Herz-Kreislauf-Pathologen Samuel Karl Ritter von Basch verfasst. Basch wurde 1837 in einer jüdischen Familie in Prag geboren, studierte Medizin und wurde in Medizin promoviert. Er war Leiter der Allgemeinen Poliklinik in Wien, widmete sich gleichzeitig der Forschung und hörte Vorlesungen des Physiologen Carl Ludwig in Leipzig, bei dem er sich auch habilitierte. 1881 veröffentlichte Basch seine Forschungsergebnisse zum menschlichen Blutdruck. Erstmals war ihm auch die Messung des systolischen Blutdrucks gelungen.
Für 2027 haben wir in dieser kleinen biographischen Reihe eine Einführung in Leben und Werk des in Limbach geborenen Literatur- und Theaterhistorikers Werner Mittenzwei vorgesehen.

Der Verlagskatalog 2026 wird Anfang des Jahres veröffentlicht
Wollen Sie auch 2026 die dichte Folge von Buchvorstellungen beibehalten?
AE: Nach unseren Erfahrungen sind die Buchvorstellungen die angenehmste und letztlich effektivste Form, um mit dem Publikum in Kontakt zu kommen. Wir planen für das Frühjahr Vorstellungen in Dresden (Lingnerschloss), in Burg (Stadtbibliothek), in Schneeberg (Gasthaus zur Goldenen Sonne), in Oelsnitz/Erzgebirge (Heinrich-Hartmann-Haus), in Lunzenau (Eisenbahnergaststätte „Zum Prellbock“), in Großbothen (Wilhelm-Ostwald-Museum) und in Brandenburg (St. Gotthardt-Kirche).
Sehr geehrter Herr Dr. Eichler, vielen Dank für das Gespräch.
Clara Schwarzenwald
Die Litterata – Technik und Poesie in Mitteleuropa – ist ein Feuilleton des Mironde Verlags (www.mironde.com) und des Freundeskreises Gert Hofmann.
