Rezension

Glaube und Zweifel

Im schönen Innsbruck, im Heim St. Vinzenz, lebt seit 2011 Pater Dr. Gabriel K. Lobendanz OCist. Wenn er aus seinem Fenster schaut, erblickt er das Kloster-Stift Stams, in das er 1966 als Novize eintrat und am 8. Juli 1972 in der Stiftskirche von Stams zum Priester geweiht wurde. Ein aufregender Lebensweg begann, der ihn bis nach Rom führte, und in dem kaum Zeit blieb zum Schreiben und Reflektieren darüber, was die Welt außerhalb des Ordens noch bewegte. Und das wurde auch nicht besser nach seiner Rückkehr ins Stift Stams, wo er ab 1991 als Novizenmeister, Meditations- und Exerzitienleiter hohe Verantwortung trug. Schöpferische Ruhe und Kraft für poetische Phantasie trat ganz offensichtlich in seine Zelle ab 1996 als Spiritual der Zisterzienserinnen-Abtei Waldsassen. Hier, im schönsten Barockkloster Deutschlands, hat Pater Gabriel mit Sicherheit die großartige Bibliothek inspiriert, die im Auftrag von Abt Eugen Schmidt von 1724 bis 1726 von dem Egener Bildhauer Carl Stilp in höchster künstlerischer Vollendung gestaltet wurde.

Als wir ab 2005 im Auftrag der Zisterzienserinnen-Abtei Waldsassen begannen, unseren Dokumentarfilm »Ruhen in der Zeit« zu drehen, gab es viele Gespräche mit Pater Gabriel, welcher eines Tages ein Manuskript auf den Tisch im Klosterkeller legte, mit der Frage, ob seine »Kloster-Aphorismen« einen Verleger finden könnten? 2009 nahm der Mironde-Verlag den Text in sein Programm auf. Das kleine Büchlein mit den Kalligraphien von Birgit Eichler wurde ein großer Erfolg, so dass 2010, zum 70. Geburtstag von Pater Gabriel, im gleichen Verlag seine »Weihnachtsgeschichten« erschienen, mit den zauberhaften Silberstift-Aquarellen von Hans Jürgen Linge.

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Kontinuität schafft Qualität: aus zweitausend, im Laufe der Zeit von Pater Gabriel aufgeschriebenen Aphorismen wählte der Mironde Verlag 83 Reflexionen für das 2015 entstandene Buch »Auch die Zweifel wollen gelobt werden« aus, welche dem Leser einen faszinierenden Einblick in den Glauben des Zisterzienser-Mönchs Lobendanz vermitteln.

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Der berühmte mittelalterliche Theologe Meister Eckhart stellte einmal die These auf, dass sich echter Glaube beim Menschen da zeigt, wo er am wenigsten von Gott redet. Ein Prinzip, an das sich Pater Gabriel strikt hält. Nur sechs mal fällt im Text das Wort Gott – aber wenn es fällt, wer will da widersprechen: »Glaube ja nicht, dass du es allen recht machen kannst, das bringt nicht mal der liebe Gott fertig.« Aufgrund seiner Souveränität vermag Pater Gabriel selbst unseren Zweifel, der in der zwecksetzenden Tätigkeit des Menschen unvermeidbar ist, weil er das Wesen von Vernunft ausmacht, für eine Sinnstiftung positiv aufzunehmen. Mehr noch: »Auch die Zweifel wollen gelobt werden.« Ohne einen Lebenssinn, d.h. ohne einen Glauben im weiten Sinne, ist keine menschliche Existenz möglich. Aber auf vernünftige Zweifel können wir genau so wenig verzichten. Darauf macht uns Pater Gabriel mit seinen Aphorismen aufmerksam.

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»Auch die Zweifel wollen gelobt werden« ist darüber hinaus eine graphische Kostbarkeit: in braun, grün und weiß begleitet die Grafikerin Birgit Eichler die Gedanken von Gabriel K. Lobendanz. Eine feine Linie zieht sich wie das Auf und Ab des Lebens von der ersten bis zur letzten Seite durch das Buch, bis zum letzten Aphorismus, den wohl jeder versteht: »Nur ein Hochmütiger weicht bei einem Wanderweg in den Bergen von ihm ab und verzichtet überdies noch auf richtige Bergschuhe!«

Eberhard Görner

 

Information

Prof. Eberhard Görner ist Filmemacher und Buchautor.

Sei neuestes Buch erzählt die Biographie des in Wien geborenen Filmmusik-Komponisten Walter Jurmann.

9783937654539

Gabriel K. Lobendanz: Auch die Zweifel wollen gelobt werden

14,0 × 20,5 cm, 88 Seiten, fester Einband, Fadenbindung, Lesebändchen

Durchgehende Buchgestaltung mit einem Druck von Birgit Eichler

VP 19,00 €        ISBN 978-3-937654-53-9         www.mironde.com

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