Reportagen

WARUM GOETHE HEUTE?


Am Nachmittag des 23. Januar stellten sich Dr. Friederike Frach (Berlin) und Dr. Manfred Osten (Bonn) vor der Chemnitzer Goethe-Gesellschaft der Frage: Warum Goethe heute?

Siegfried Arlt, der Vorsitzende der Chemnitzer Goethe-Gesellschaft, begrüßte die beiden Referenten und die zahlreichen Besucher der Veranstaltung im Salon »Stadtpark« der Seniorenresidenz »SenVital« auf dem Chemnitzer Niklasberg. Die Veranstaltung trug den Titel »Die blaue Stunde«. Passend dazu wurden Tee, Kaffee und Gebäck gereicht.

Dr. Manfred Osten begann furios. Er bescheinigte der gegenwärtigen Gesellschaft Unkenntnis der Texte Goethes. Durch unkritische Digitalisierung werde »die digitale Demenz« (Manfred Spitzer) vorangetrieben. In Nordrhein-Westfalen habe man sogar offiziell Goethes Faust-Text aus dem Schulprogramm gestrichen. In einer Interpretation von Faust II versuchte Osten statt dessen die Aktualität Goethes nachzuweisen. Osten bemühte am Ende Nietzsches Verdikt, wonach Goethe bei den Deutschen ohne Folgen geblieben sei. Das vorwiegend ältere Publikum nahm die interessanten Ausführungen nahezu begeistert auf.

Dr. Friederike Frach widmete sich der Frage, wie man angesichts dieser Lage die Bildungssubstanz des Landes retten könne. Ihr ging es vor allem darum, wie man jungen Menschen heute unser literarisches Erbe nahebringen kann. Eine Möglichkeit besteht darin, miteinander ins Gespräch zu kommen. Damit bestätigte sie die Gepflogenheiten der Goethe-Gesellschaft, die diese seit Jahrzehnten bewahrt, wie auch an diesem Nachmittag.

Siegfried Arlt und die Mitglieder der Goethe-Gesellschaft dankten am Ende der mehrstündigen Veranstaltung den beiden Referenten. Aber auch der Goethe-Gesellschaft ist für die Thematisierung existenzieller Probleme und die Vermittlung humanistischer Bildung zu danken.
Johannes Eichenthal

Information

www.goethegesellschaftchemnitz.de


2018 erfolgte am Schauspielhaus Chemnitz eine zukunftsträchtige Aufführung von Goethes Faust II: https://www.mironde.com/litterata/7488/reportagen/__trashed

In Brandenburg versuchen die Bücher-Kinder der Pirckheimer-Gesellschaft mit einem Programm »Schnelles Lesen, langsames Lesen« die Kinder von früh an auf die Unterschiede von Bildschirmtexten und echten Büchern zu trainieren: https://www.mironde.com/litterata/8115/reportagen/buecherkinder-brandenburg

Volker Caysa definierte 2016 in einem Essay das »Ende der Thomas-Mann-Zeit«, in dem er die Rolle Goethes und der Kultur hervorhob. Ohne Weimar, Goethe, Schiller usw. wäre 1871 garnicht möglich gewesen. Caysa bemängelte die Unfähigkeit der alten Bundesrepublik das europäische Kulturstaats-Konzept Thomas Manns anzuerkennen und umzusetzen: https://www.mironde.com/litterata/7239/essay/volker-caysa-zeit-in-gedanken-gefasst

Die Litterata – Technik und Poesie in Mitteleuropa – ist ein Feuilleton des Mironde Verlags (www.mironde.com) und des Freundeskreises Gert Hofmann.

2 thoughts on “WARUM GOETHE HEUTE?

  1. Danke für den kurzen aber wunderbaren Bericht. – Habe in Goethes Maximen einst gelesen und ich zitiere jetzt aus dem Kopf: Meinem Herzen sind die Kinder am nächsten. – Wir haben jüngst zwei Goethebücher aus dem Kindermann Verlag unter die Lupe genommen. Dabei habe ich sehr wohl die Begeisterung von Grundschülern an den Inhalten gemerkt. Sogar an Schiller „Die Räuber“. Unser Buch „Ensikat unter der Lupe“ berichtet davon. Dazu kommen unsere Kontakte zur Kognitionsforscherin Maryanne Wolf von der California Uni. in Los Angeles, die sich mit den Veränderungen im Rezeptionsverhalten der neuen Generation und den sozialen Folgen befasst.

  2. Ohne Wertung: Die Plauener Goethe-Gesellschaft hatte jüngst Prof. Dr. Jochen Golz (Vizepräsident der Vereinigung) im Festsaal des Vogtlandmuseum (1789) zu Gast. Golz referierte in 10 Thesen aktuelle Goethe-Bezüge. Sehr hörenswert, und vor historischem Hintergrund gut besucht!

    Detlef Manfred Müller

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