Sehr geehrte Damen und Herren, wir veröffentlichen einen Nachruf des Chemnitzer Fahrzeugbau-Kenners Frieder Bach auf Prof. Dr. Carl H. Hahn.
Johannes Eichenthal
Durch meinen über sechzigjährigen Umgang mit DKW-Fahrzeugen, DKW- sowie Auto Union-Druckerzeugnissen und der Historie dieses sächsischen Fahrzeugbaukonzerns, wurde ich im Laufe der Jahre mit dem Lebenswerk von Dr. Carl Hahn, dem sogenannten DKW-Hahn sehr vertraut. Er war zu Beginn „die rechte Hand“ des DKW-Firmengründers Jørgen Skafte Rasmussen und wurde so zu einem Gründer der Auto Union in Chemnitz. Sein 1926 hier in Chemnitz geborener Sohn Carl Horst lernte im Kindes- und Jugendalter noch die in Zschopau gebauten Motorräder, die in Zwickau hergestellten Autos des großen Fahrzeugherstellers, dessen Verwaltung in Chemnitz ihren Sitz hatte, und den Umgang mit den Fahrzeugen persönlich kennen. Sein Studium nach dem Zweiten Weltkrieg brachte ihn in leitende Positionen beim Wolfsburger Fahrzeugbauer VW in Amerika, später in die Führungsetage der Continental-Werke in Hannover. 1982 legten die VW-Werker das weitere Schicksal ihres Betriebes in seine Hände. Eine sinnvolle Entscheidung, wie sich erweisen sollte. Dr. Carl Horst Hahn wurde zum VW-Hahn! Seine Erinnerungen an die Fähigkeiten und Fertigkeiten der sächsischen Autobauer führten zu seinem enormen Einsatz für das Wiedererstarken des Fahrzeugbaus in dieser Region, in Chemnitz mit dem Bau der VW-Motorenfertigung schon in den achtziger Jahren und in Zwickau und Mosel nach dem Fall der deutschen Grenze.
O. g. Beschäftigung mit der Historie des sächsischen Fahrzeugbaus führte mich mehrere Male mit der Person des nun verstorbenen großartigen Wirtschaftsmanagers Dr. Hahn zusammen. Alle diese Treffen waren Höhepunkte in der Traditionspflege der sächsischen Fahrzeugherstellung, denen er besondere Aufmerksamkeit widmete und an die ich mich gern erinnere. So besuchte Dr. Hahn die Region, die er förderte, offensichtlich sehr gern, da er hier auf etliche Menschen traf, deren Gedanken in die gleiche Richtung gingen wie die seinigen. Er stellte gemeinsam mit Prof Dr. Peter Kirchberg im Juni 2016 in Chemnitz das Buch über seinen Vater, den „DKW-Hahn“ vor. Am 15. November 2016 besuchte er das „Museum für Sächsische Fahrzeuge“ in Chemnitz in der architektonisch historisch bedeutenden Hochgarage an der Zwickauer Straße. Hier konnte ich ihm alles zeigen, was ein Verein zum Erhalt der hiesigen Fahrzeugbautraditionen beiträgt. Am 18. Februar 2017 traf ich mit Prof. Dr. Hahn in Zwickau zusammen anlässlich der Uraufführung eines Films von Prof. Eberhard Görner über den hier jahrzehntelang gebauten „Trabant“, in dem der frühere technische Direktor des Werkes Dr. Werner Lang und Prof. Dr. Carl Hahn als Zukunftsvisionär ausführlich zu Worte kamen. Dem Film schloss sich eine lange Diskussion an. Der frühere VW-Chef hatte damals schon die „Neunzig“ überschritten, aber ihm war auch am späten Abend bei intensivem Gespräch keine Ermüdung anzumerken. 2018 verfasste Dr. Carl Hahn auf meine Bitte hin das Geleitwort zu dem Buch „Fahrzeugspuren in Chemnitz Teil 1“, das mit den hiesigen Fahrzeugbaufirmen angefüllt ist, die er teilweise noch aus eigenem Erleben kannte.
Am 16. Juli 2021 hatten die ehemaligen Zschopauer DKW- und MZ-Werker auf das frühere Werksgelände eingeladen, da die Stadt den Beinamen „Motorradstadt“ erhielt. Hierzu waren auch Prof. Dr. Carl Hahn (re.) und Jørgen Skafte Rasmussen (li.), der Enkel des Firmengründers, eingeladen. So entstand mit dem Oberbürgermeister von Zschopau ein Foto Detlev Müllers, das dem Buch zum einhundertjährigen Beginn der Produktion von Motorrädern in Zschopau „Zwei Takte und zwei Räder“ eine besondere Note verleiht. Diese persönlichen Begegnungen mit Prof. Dr. Carl Hahn prägten sich bei mir nicht nur als Treffen mit einem bedeutenden Manager ein, sondern auch als Bild eines besonderen Menschen!
Frieder Bach, Chemnitz am 17. Januar 2023
Geleitwort Prof. Dr. Carl H. Hahns zu Frieder Bachs „Fahrzeugspuren in Chemnitz“
Sehr geehrte Damen und Herren,
das vorliegende Werk zeigt eindrucksvoll die Geschichte in Chemnitz rund um das Rad, das Automobil, das Motor- und Fahrrad, den Maschinen- und Anlagenbau sowie weiterer fast schon unzähliger Firmen und Unternehmen auf. Insgesamt ist dieses Werk ein Spiegelbild der herausragenden automobilen Fähigkeiten der Unternehmer, Ingenieure, Facharbeiter und vieler weiterer Menschen in meiner Heimatstadt Chemnitz. Sie machten Chemnitz aber auch zu einer Stadt der Kultur.
Das Buch gibt ebenfalls einen Einblick in die Geschichte des Rennsports in der Region Chemnitz in den vergangenen mehr als einhundert Jahren. Für den Rennsport hier vor Ort eine Epoche des Erfolges, die aus meiner Sicht untrennbar mit den technischen und handwerklichen Fähigkeiten der Menschen verbunden ist. Dieser Erfolg forderte nicht nur Einsatz, sondern große Opfer unzähliger Rennfahrer.
Chemnitz hat in diesen Jahrzehnten bewegte Zeiten und einen eindrucksvollen Wandel durchlaufen. In diesen Zeitraum fiel auch die Gründung der Auto Union AG aus den Firmen Audi, DKW, Horch und Wanderer im Sommer 1932. Nach Kriegsende 1945 wurde dieses Unternehmen zerschlagen und in Ingolstadt neu gegründet. Aus der ehemaligen Auto Union AG entstanden unter anderem Fertigungsstätten in Sachsen und schließlich die Vereinigung volkseigener Betriebe beziehungsweise der Industrieverband Fahrzeugbau der DDR. Besonders zu erwähnen sind die Diamant-Werke, Esweco und Presto. Weiterhin sind Schüttoff & Bässler, Barkas, Moll und Riemann untrennbar mit meiner Heimatstadt Chemnitz verknüpft. Aber auch die unzähligen kleinen und mittelständischen Betriebe sind unverzichtbare Mosaiksteine in dieser Geschichte und auch Bestandteil des vorliegenden Werkes. Nach dem Untergang der DDR 1989 begann die Sichtung und geschichtliche Aufarbeitung von Unterlagen und Akten auch aus dem Staatsarchiv Chemnitz. Zur Darstellung und Bewahrung der automobilen Geschichte und der Entwicklung in Chemnitz trägt dieses Buch in einzigartigem Maße bei.
Den Helfern, Mitarbeitern und Autoren dieses Buches und nicht zuletzt Herrn Frieder Bach möchte ich persönlich meinen Dank für seine herausragende wie aus historischer Sicht überfällige Arbeit aussprechen. Ohne den Enthusiasmus und das große Engagement wäre dieses Werk sicher nicht entstanden. Als Ehrenbürger der Stadt Chemnitz macht mich dieses Werk auch ein wenig stolz. Es zeigt, was die Menschen hier zu leisten im Stande waren – unter den schwierigen Bedingungen des »DDR-Systems« – und auch in Zukunft sein werden.
Gewaltige Investitionen in der Automobilindustrie nach der Wende, unter anderem in Dresden, Zwickau, Leipzig und Chemnitz sowie in der gesamten Zulieferindustrie in Sachsen und besonders auch im Erzgebirge, führten diesen Industriezweig in den vergangenen nunmehr fast 30 Jahren in niemals für möglich gehaltene neue Dimensionen.
Räder hinterlassen Spuren und werden auch in Zukunft Spuren hinterlassen. Dahinter stehen Menschen, die für diese Spuren und die großartigen Erfolge verantwortlich sind. Diese Botschaft senden wir Chemnitzer gern.
Ihr Carl Horst Hahn
Wolfsburg, 4. Mai 2018
Anhang
Auf die Veröffentlichung des Litterata-Artikels hin schrieb unser Leser Michael Schuster, der Leiter des Depots-Pohl-Ströher in Gelenau, dass Prof. Dr. Carl H. Hahn an einem Tag im August 2015 für zwei Stunden die Lopesa-Sammlung in Gelenau besuchte. Große Aufmerksamkeit habe der Gast damals den Tretautos des Sammlers und Restaurators Eckart Holler gewidmet. Besonders habe das Modell des Audi-Silberpfeils die Erinnerungen des Gastes wachgerufen. Das Foto zeigt einen in Gedanken versunkenen Carl H. Hahn. Mit dem Original hatte Bernd Rosemeyer 1937 die Geschwindigkeitsgrenze von 400 km/h auf einer öffentlichen Straße durchbrochen. In seiner Jugend, so Hahn, habe er Rosemeyer stets bewundert. (Depot Pohl-Ströher Gelenau, www.lopesa.de)
Information
Link zum Litterata-Artikel Frieder Bachs über die Uraufführung von Eberhard Görners Dokumentarfilm Wolle auf Asphalt: https://www.mironde.com/litterata/6029/reportagen/urauffuehrung-des-trabant-dokumentarfilmes
Frieder Bach: Fahrzeugspuren in Chemnitz. Zur Historie des Chemnitzer Fahrzeugbaus. Teil 1
23 × 23 cm, 216 Seiten, fester Einband, Fadenbindung, Lesebändchen
etwa 600 zum Teil farbige Fotos und Abbildungen, 900g
VP 24,90 € ISBN 978-3-937654-77-5
Bestellbar in allen Buchhandlungen oder direkt beim Verlag: https://buchversand.mironde.com/p/fahrzeugspuren-in-chemnitz-zur-historie-des-fahrzeugbaues-teil-1
Frieder Bach/Detlev Müller: Zwei-Takte und Zwei-Räder. DKW-Serienmotorräder von 1922 bis 1945
Fester Einband, Fadenheftung, Lesebändchen, etwa 500 Fotos und Abbildungen
23,0 × 23,0 cm, 336 Seiten VP 39,90 € ISBN 978-3-96063-039-5
Bestellbar in allen Buchhandlungen oder direkt beim Verlag: https://buchversand.mironde.com/p/zwei-takte-und-zwei-raeder-dkw-serienmotorraeder-1922-bis-1945
Die Litterata – Technik und Poesie in Mitteleuropa – ist ein Feuilleton des Mironde Verlags (www.mironde.com) und des Freundeskreises Gert Hofmann.