Reportagen

ERZGEBIRGE – LANDSCHAFT – BERGBAU – ZWERGE

Der 19. November war ein Sonntag. Am Vormittag blaute der trübe Himmel auf. Der Wind färbte die grauen Wolken weiß. Auffällig viele Kinder zog es mit ihren Eltern in das Zentrale Hörsaalgebäude der TU Chemnitz zu einer Veranstaltung der Kinder-Universität. Der große Hörsaal wirkte auf die kleinen Gäste wahrscheinlich riesengroß. Sie ließen sich aber von der Größe nicht beirren und suchten sich selbstbewusst ihre Plätze. Auf dem Programm stand eine Erzählung Michael Schusters vom Zwerg aus dem Berg und eine Zeitreise in die Montanregion Erzgebirge/Krušnohoří.

Die Organisatorin begrüßte voller Freude die vielen Gäste und den Referenten.

Michael Schuster machte zunächst den sperrigen Ausdruck „Montanregion“ verstehbar: Eine Landschaft, in der Bodenschätze gehoben und verarbeitet werden. Schlegel und Eisen, die Werkzeuge der Bergleute, hatte er zur Anschauung mitgebracht. Mit Hilfe eines Seiles machte Schuster die Zeit-Dimension quantitativ sichtbar, die uns von der Gründung der Stadt Annaberg trennt.

Dann erzählte er die Geschichte vom 12-jährigen Lazarus Ercker, der an der Annaberger Stadtmauer einen Zwerg traf und sich mit diesem anfreundete. Gemeinsam besuchen beide die Annaberger Rechenschule des Adam Ries (1492–1559) der als erster Rechenmeister in deutscher Sprache unterrichtete und auch arabische Ziffern verwendete. Beide sehen sich den Bergaltar von Hans Hesse (vor 1497–nach 1539) in der St.-Annen-Kirche an, auf dem erstmals die Arbeit der Bergmänner unter Tage und der Bergmänner und Bergfrauen über Tage in einer Kirche dargestellt werden. Zwerg und Schuljunge unternehmen auch einen Ausflug nach Ehrenfriedersdorf, um sich die berühmte Radpumpe anzusehen. Hier wurde erstmals in der Welt eine Kreisbewegung in eine horizontale Bewegung transformiert. Beide unternehmen Ausflüge in die Umgebung Annabergs und nehmen mit Bestürzung wahr, dass der gesamte Wald dem Bergbau geopfert wurde. Nirgends mehr ein Baum. Für den Zwerg ist es selbstverständlich, dass der Naturkreislauf ein Geben und Nehmen ist. Nur die Menschen müssen das erst lernen.

Nach einigen Jahren trennen sich die Wege. Lazarus geht nach Wittenberg, um an der Universität zu studieren. Zum Abschied schenkt der Zwerg ihm einen besonderen Stein – einen Amethyst. Diesen Stein hat Schuster mitgebracht und zeigt ihn den Kindern. Der Stein soll Energie bringen. Und so wird Lazarus Ercker (1528/30–1594) später gemeinsam mit Georgius Agricola (1494–1555) und Vannoccio Biringuccio (1480–1537) zur wissenschaftlichen Autorität im Montanwesen seiner Zeit.

Die Stärke Michael Schusters besteht im Geschichtenerzählen. Erwachsene stellen sich Wissensvermittlung oft in bloßen Zahlen und Fakten vor. Aber wenn es zur Bildung beitragen soll, dann ist Wissen für Menschen nur aufnehmbar, wenn es in einer Geschichte daherkommt. Auch Wissenschaft wird bei Erwachsenen erst zum Bildungselement, wenn sie in eine literarische Form gebracht wird.

Johannes Eichenthal

Information

Michael Schuster: Der Zwerg aus dem Berg. Eine Zeitreise in die Montanregion Erzgebirge/Krušnohoří.

Fester Einband, runder Rücken, 23,0 × 3,0 cm, 96 Seiten, zahlreiche farbige Abbildungen und Fotos

VP 17,95 Euro; ISBN 978-3-96063-048-7 

Erhältlich im Buchhandel oder direkt beim Verlag: https://buchversand.mironde.com/p/der-zwerg-aus-dem-berg

Die Litterata – Technik und Poesie in Mitteleuropa – ist ein Feuilleton des Mironde Verlags (www.mironde.com) und des Freundeskreises Gert Hofmann.

2 thoughts on “ERZGEBIRGE – LANDSCHAFT – BERGBAU – ZWERGE

  1. Danke an alle kleinen und großen Zuhörer – sagt der Zwerg aus dem Berg.
    Die Größe des Hörsaals hat mich kleinen Wicht überrascht.
    Schön, dass auch Leute in meiner Größe dabei waren.

    Glück Auf ! Euer Wurzelchen

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