Rezension

NEUE JAHRBÜCHER

Unser Artikelfoto: Blick vom Garten auf das Weimarer Amts- und Wohnhaus von Johann Gottfried Herder

 

Das Mitteldeutsche Jahrbuch für Kultur und Geschichte erschien 2018 mit Band 25. Herausgeber ist die Stiftung Mitteldeutscher Kulturrat in Bonn. Die 350 Seiten sind in verschiedene Rubriken aufgeteilt. Von S. 19 bis 126 finden wir Aufsätze: Ismene Deter: »Günter von Schwarzburg – vom Zerfall einer alten Frankfurter Tradition«; Christoph Werner: »Paulus Luther – Sohn und der Artzney Doctor«; Juliane Müller: »Der Kult um Gustav II. Adolf und seinen Harnisch«; Michael Ludscheidt: »Das Erfurter Ratsgymnasium – eine frühneuzeitliche Gelehrtenschule«; Olaf Böhlk: »Vom sachsen-anhaltischen Landesbewusstsein – der Bernburger Erbfall als Schlüsselereignis für einen Paradigmenwechsel«; Norbert Oellers: »Ein Glück, dass wir ihn besitzen. Fontanes Verhältnis zu Schiller«; Hartmut Schmidt: »Der Duden und die Geschichte des deutschen Wortschatzes im 20. Jahrhundert«; Manfred Linck: »Langensalza 1866 – dem Sieg in der Schlacht folgte der Untergang des Königreiches Hannover«; Angela Dolgner: »Aus der Baugeschichte der Martin-Luther-Universität Halle Wittenberg. Die Sammlungsgebäude«; Ralf Regener: »Mit Musik in eine neue Zeit. Die Novemberrevolution 1918 in Bernburg«; Margret Brademann: »Warum sehe ich den Radwechsel mit Ungeduld? Zum 60. Geburtstag von Bertolt Brecht (1898–1956) am 14. August; Henryk Löhr: »Der neues ‹Steintor-Campus› der Universität Halle Wittenberg«. In der Rubrik »Zum Gedenken« folgen kurze knappe Artikel mit einer großen zeitlichen Spannweite, von Gerlinde Schlenker und Axel Voigt: »968: Gründung des Erzbistums Magdeburg« bis zu Harro Kieser: »Die Pogromnacht vom 9. November 1938 in Halle (Saale)«. Etwa 70 Seiten werden der Erinnerung an Einzelpersönlichkeiten gewidmet, die im Jahre 2018 ein wichtiges Jubiläum zu verzeichnen haben; u.a. Georg Friedrich Meier, Hermann Cohn, Theodor Frings, Albert Kapr, Johannes Daniel Falk und Arnold Zweig. Es folgen etwa 30 Seiten Nachrufe auf 2016/17 verstorbene Persönlichkeiten. Berichte und Rezensionen runden das Jahrbuch ab. Insgesamt bietet die Publikation eine kaum zu fassende Menge an Informationen zur Geschichte Mitteldeutschlands in einer beachtlichen Breite.

Information

Mitteldeutsches Jahrbuch für Kultur und Geschichte. Hrsg. Mitteldeutscher Kulturrat. Bonn 2018. Band 25, 350 S. ISBN 978-3-98188-710-5 Das Jahrbuch kann über den Buchhandel und auch über die Geschäftsstelle des Mitteldeutschen Kulturrates bestellt werden: info@stiftung-mkr.de Die Inhaltsverzeichnisse der Bände 1–24 sind über die Homepage der Stiftung einsehbar: www.stiftung-mkr.de

Bei uns ging auch das Goethe-Jahrbuch 2016 ein. Es ist bereits der 133. Band. Im Auftrag des Vorstandes der Goethe-Gesellschaft wird es herausgegeben von Frieder von Ammon, Jochen Golz und Edith Zehm. Das Jahrbuch bietet eine Art Chronik der Tätigkeit der Goethegesellschaft in Weimar und ihrer Ortsvereine im Jahr 2016. Eingeleitet wird das Jahrbuch mit Beiträgen von Nachwuchswissenschaftlern, die im Rahmen der 84. Hauptversammlung der Goethegesellschaft in Weimar im Jahre 2015 gehalten wurden. Es folgen Abhandlungen. Klaus-Detlef Müller: »Wilhelm Meisters Weg in ein tätiges Leben. Jrno als Mentor.«; Johannes John: »Goethes ‹Wanderjahre› und das Theater«; Olaf L. Müller: »Optische Experimente in Goethes Arbeitszimmer. Mutmaßungen über die apparative Ausstattung und deren räumliche Anordnung«; Moritz Veeh: »Teufelspakt und Gretchenfrage als Mittel der Gegenwartsdiagnose. Goethes ‹Faust 1› in Flix’ Comic-Neuinszenierung«. In der Rubrik »Goethe philologisch« informiert Katharina Mommsen über ein Projekt zur Entstehung von Goethes Werken in Dokumenten. Anne Bohnenkamp, Silke Henke, Fotis Jannidis, Gerrit Brüning, Katrin Henzel, Dietmar Pravida, Thorsten Vitt, Moritz Wissenbach informieren über die digitale Faust-Edition, die neue historisch-kritische Ausgabe von Goethes Drama. Es folgen Dokumentationen, Miszellen, Rezensionen und abschließend die Dokumentation der Tätigkeit der Goethe-Gesellschaft.

Das Jahrbuch zeigt die Konzentration der Forschung auf das Leben eines einzigen Menschen. Man könnte annehmen, es müsste nach so vielen Jahren alles bekannt sein. Doch der Beitrag von Olaf L. Müller über optische Experimente, die Goethe am 25. Februar 1801 gemeinsam mit dem jungen Physiker Johann Wilhelm Ritter in seinem Weimarer Arbeitszimmer tätigte, zeigt, dass es nicht so ist. Der Autor vermutet, dass Ritter an diesem Tag Goethe seine Entdeckung des UV-Lichtes demonstriert haben dürfte. Müller verfügt über genaueste Kenntnisse von Goethes Arbeitszimmer und den hauseigenen Geräten. Angefangen mit einem kreisförmigem 10-Zentimeter-Loch im Fensterladen bis hin zu einem Wasserprisma. Müller bedankt sich ausdrücklich bei den Teilnehmern des 1. Goethe-Ritter-Workshops im Goethe-Nationalmuseum 28.–30.5.2016 für die Unterstützung und Detailinformation. Vermittelt wird mit diesem Artikel das Bild vom Zusammenwirken zweier Forschergenerationen (Goethe 62, Ritter 25 Jahre) die auf unkonventionelle Weise, transdisziplinär zu denken vermochten. (Ähnliche Experimente führte Ritter, wie Gotthilf Heinrich Schubert berichtetet, auch im Haus des Weimarer Generalsuperintendenten Johann Gottfried Herder durch.) Zudem wird deutlich, dass sich der ausgewiesene Sammler Goethe bis ins Alter aktiv auf die Suche nach Innovationen machte. Für unsere heutige hyperspezialisierte Wissenschaftswelt muss dieses Bild doch ungeheuer befreiend wirken. Oder nicht?

Information

Goethe-Jahrbuch 2016. Fester Einband, 290 S., Wallstein Verlag, Göttingen 2016. Im Buchhandel oder direkt beim Verlag beziehbar mit ISBN 978-3-8353-3070-2

 

Die Internationale Herder-Gesellschaft veröffentlich im Zweijahresrhythmus ihr Jahrbuch. Der XIII. Jahrgang erschien 2016. Folgende Abhandlungen sind in dieser Ausgabe zu finden: Kaspar Renner und Ulrike Wagner: »Herder und die Philologie. Fünf Thesen zu einer produktiven Beziehung. Am Beispiel des Volksliedprojekts«; Tina Bellmann: »Fragmentarische Annäherung an das Menschsein. Herders Sprachursprungschrift und seine Auslegung von Genesis 1–3«; William H. Carter: »‹Die Ketten … mit der Zeit lieben lernen.› Herder’s Reflection in Individual Freedom and Political Liberty in the Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit«; Stefan Greif: »‹das Mährchen ist die einschmeichelnd-gesellige Fama› – Herders Philosophie des Lebens in poetologischer Perspektive«; Lina Steinby: »Zur ‹Wissenschaftlichkeit› von Herders Methode. Begriff, Bild, Analyse und Synthese«; Katherine Arens: »Rereading of Herder as Heritor of Idealism. Robert von Zimmermann’s Aesthetics«; John Pizer: »Herder and Gervinus«. Es folgt die Herder-Bibliographie 2014/15. Buchbesprechungen schließen das Jahrbuch ab. Hier möchten wir besonders die Rezension eines Tagungsbandes herausheben. Rainer Godel bespricht 2016 den von Marion Heinz herausgegebenen Band »Herders ‹Metakritik›. Analysen und Interpretationen. Der im Verlag Frommann-Holzboog in Stuttgart/Bad Cannstatt im Jahre 2013 erschien. Die Tagung fand im Jahre 2009 statt. Obwohl im Nachhinein noch ein Beitrag des Theologen Oswald Bayer, der mit seiner Analyse der Hamannschen Metakritik die Position Herders stärken sollte, aufgenommen wurde, verändert sich das Ergebnis der Tagung nicht. Die Beiträge von Andreas Arndt, dem damaligen Präsidenten der Hegel- und der Schleiermacher-Gesellschaft, und Marion Heinz, der Organisatorin der Herder-Tagung, die aus unserer Sicht die zentrale argumentative Auseinandersetzung zwischen der Kant- und der Herder-Position darstellten, folgten in der Tagung unmittelbar aufeinander. Leider vermag die Rezension weder die Atmosphäre noch die wirklichen Eckpunkte dieser Diskussion deutlich zu machen. Aber hier müsste die Herder-Forschung ansetzen, um endlich in die Offensive zu kommen.

(Die Litterata Reportage von 2009 ist leider nicht mehr zugänglich. Das Litterata-Archiv endet jetzt im Jahre 2010. Aber unsere Rezension aus dem Jahre 2013 ist noch lesbar https://www.mironde.com/litterata/3201/essay/johann-gottfried-herder-zum-210-todestag)

Information

Rainer Godel und Johannes Schmidt (Hrsg.): Herder Jahrbuch. XIII/2016. 270 S., Synchron Verlag Heidelberg 2016. Im Buchhandel oder direkt beim Verlag erhältlich: ISBN 9783939381952

Der Mironde Verlag gab 2017 erstmals eine Publikation mit dem Titel »Technik und Poesie. Innokonservatives Jahrbuch 1.« heraus. Eingeleitet wird das Buch mit einem Motto Johann Gottfried Herders: Das einzige, was uns die Zeit von Denkmalen des Geistes überliefert, sind Bücher. Im Geleitwort erfahren wir, dass der Band Beiträge einer Verlagstagung mit dem Titel »Naturkreislauf – Technik – Poesie« vom 9. September 2017 dokumentiert. Das Tagungsthema wird mit Thesen umrissen. Der erste Beitrag stammt von dem erfahrenen Buchhändler und Buchliebhaber Ulrich Osberghaus. Er referiert nüchtern optimistisch zur Lage des Buches. Es folgen Gedichte und Zeichnungen von WEHerbst Silesius, Malerei und Grafik von Osmar Osten, Gedichte von Katrin Albrecht, Malerei und Grafik von Rüdiger Mußbach, Gedichte von Gudrun Wendler, Gedichte von Utz Rachowski und Fotografik von Carolyn Eichler. Zwischen den poetischen Beiträgen stehen Artikel von Prof. Dr.-Ing. Karin und Dr.-Ing. Steffen Heinrich, sie lehrt Verfahrenstechnik an der Berliner Beuth-Hochschule und er ist Geschäftsleiter des kleinen Abwasserzweckverbandes Frohnbach. Der Zweckverband umfasst die Stadt Limbach-Oberfrohna und die Gemeinde Niederfrohna, gelegen zwischen Leipzig und Chemnitz. Die Autoren informierten das Publikum über eine im ZVF neuentwickelte Technologie zur Phosphorrückgewinnung aus Klärschlamm, um den regionalen Stoffkreislauf im Naturkreislauf zu bewahren. Der Beitrag ist nahe am realen Entwicklungsprozess. Die beiden Architekten und Diplomingenieure Christoph Eichler, der Autor des BIM-Leitfadens, und Moritz Mombour beantworteten auf allgemeinverständliche Weise die Frage »Was ist BIM?«. Die englische Bezeichnung »Building Information Modeling« sagt dem Laien auch nicht viel mehr. Mit anderen Worten: Es geht hier um den Übergang von dokumentgestütztem Planen und Bauen zum digitalmodellgestützten Planen, Bauen und Betreiben. Der gesamte Lebenszyklus eines Gebäudes kann mit dem virtuellen Modell erfasst werden, vom Entwurf bis zum Abriss. Dies erscheint bedeutsam, weil in Deutschland 50 Prozent aller Investitionen im Bauwesen getätigt werden und weil mehr als 50 Prozent des Müllaufkommens aus der Bauwirtschaft stammen. Interessant ist, dass das CAD-Verfahren in den 1960er Jahren in Stuttgart erfunden wurde, in den 1970er Jahren in den USA kommerziell verwertet und in den 1980er Jahren in Europa grundlegend weiterentwickelt wurde. Frieder Bach schloss sich mit einem Vortrag über das Kulturelle Gedächtnis des Wissens und der Praktiken des Fahrzeugbaus in der Region Chemnitz-Zwickau an. Er verweist auf das Sächsische Fahrzeugmuseum in Chemnitz. Den Abschluss bildet ein Artikel von Johannes Eichenthal: In der Werkstatt der Natur – Naturgeschichte und Naturkreislauf bei Johann Gottfried Herder. Der Autor versucht aus den ersten fünf Büchern von Herders »Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit« Grundzüge von dessen Theorie organischer System herauszuarbeiten. Damit liefert er eine philosophische Begründung für den Zusammenhang der Tagungsthemen. Im Fazit muss man feststellen, dass hier ein ungewohntes Verfahren vorgelegt wird. Im Rückentext heißt es, dass weder reines Erneuern noch reines Bewahren, weder reine Innovation noch reine Konservation möglich sind. Nur als Vereinigung der Gegensätze seien Innovation und Konservation begründbar und praktizierbar: als Innokonservation. Ist es nicht mit Technik und Poesie ebenso?

Information

Technik + Poesie. Innokonservatives Jahrbuch 1. 23 × 29,7 cm, 100 Seiten, zahlreiche farbige Abbildungen. Mironde Verlag 2017 ISBN 9783960630081 Erhältlich im Buchhandel oder direkt beim Verlag www.mironde.com

Clara Schwarzenwald

 

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