Reportagen

EIN LITERARISCHER WANDERFÜHRER IN EINER ZWICKAUER BUCHHANDLUNG

Am 9. Oktober hatten das Zwickauer Antiquariat & Buchladen und der Mironde Verlag zur Buchvorstellung des literarischen Wanderführers »Von den Minnesängern bis Herder. Sprache und Eigensinn. Teil 1« eingeladen.

Am Abend des 9. Oktober ergraute der Himmel und mit der Dunkelheit setzte leichter Regen ein. Die Zwickauer Hauptstraße war aber dennoch belebt. Die erleuchteten Fenster des Zwickauer Antiquariats & Buchladen zogen uns magisch an. Sofort sind wir von Büchern umgeben, fühlen wir uns heimisch. Im ersten Stock ist schon alles für die Veranstaltung vorbereitet. Der Beamer läuft und zeigt den Buchtitel »Von den Minnesängern bis Herder. Sprache und Eigensinn. Teil 1«.

Die Buchhändlerin Gabriele Hertel begrüßte voller Freude die Gäste und den Autor Andreas Eichler zur Buchvorstellung.

Am Anfang, so der Autor, habe die Frage gestanden, ob es eine mitteldeutsche Mentalität gäbe. Die Antwort habe man in der Literatur- und Sprachgeschichte gefunden. Mitteldeutschland, die Region zwischen Braunschweig und Görlitz, sei im Schnittpunkt uralter Kommunikationslinien gelegen: die eine von Königsberg nach Basel und weiter nach Südfrankreich. Die andere von Bremen nach Wien und weiter nach Konstantinopel/Istanbul. Im Zuge der Ostexpansion des deutschen Königreiches sei im 10. Jahrhundert die Grenze zwischen dem fränkisch dominierten West- und dem slawisch dominierten Mitteleuropa überschritten worden. Zwischen dem 11. und 13. Jahrhundert erfolgte in Mitteldeutschland ein Dialektausgleich zwischen oberdeutschen und niederdeutschen Dialekten im Kontakt mit slawischen Dialekten. Dabei entstand das Mittelhochdeutsche, die erste gemeinsame Hochsprache der Nation. Mit der neuen Sprache sei aber in Mitteldeutschland auch eine innovative Denkweise entstanden. Viele historische Umwälzungen hätten seither in Mitteldeutschland ihre Wurzel: Mystik, Reformation, Klassik, Romantik u.a.

Der Autor verwies darauf, dass die mittelhochdeutschen Literaturgeschichte die Grundlage für unsere sprachliche Konstitution bilde. Lessing habe 1777 mit einem Klopstock-Zitat – von den Minnesängern bis Luther, diesen Weg musst du gehen – auf die Notwendigkeit der Aneignung der Literaturgeschichte in einer »Wanderung« verwiesen. Lessing und Herder hätten eine weite Literaturauffassung vertreten. Neben den literarischen Gattungen seien auch theologische, medizinische, philosophische, naturwissenschaftliche, technische, technologische Darstellungen Teil der literarischen Überlieferung. Im ersten Band gehe die Wanderung bis Herder und im zweiten von Herder bis zum Ende des 20. Jahrhunderts. Herder sei gewissermaßen der »Drehpunkt« der mitteldeutschen Literaturgeschichte.
Im ersten Band habe man 22 Literaten, deren Wirkungsorte und ihre Werke ausgewählt. Es gehe darum die konkreten Orte wichtiger Literaturereignisse aufzusuchen, um die Texte besser verstehen zu können. Neben einer Kurzbiographie, der Einleitung in einen Originaltext und einer Zusammenfassung enthalte das Buch auch detailliere Stadtpläne. Am Ende runde ein Personen-Lexikon die konzentrierte Darstellung ab.

Darauf nahm der Autor das Publikum mit auf eine Reise durch 600 Jahre Literaturgeschichte – und das anspruchsvolle Publikum folgte ihm, obwohl Eichler fast zwei Stunden benötigte. Das Publikum stellte am Ende interessante Fragen. Einige Zuhörer verwiesen darauf, dass sie unbekannten Namen hörten, obwohl sie sich für die Literaturgeschichte interessierten. Der Autor antwortete, dass die Entdeckung neuer Autoren, Orte und Texte der Sinn des Buches sei. Man solle sich auf Wanderschaft begeben …

Frau Hertel, die Organisatorin der Veranstaltung, dankte am Ende dem Publikum und dem Autor. Dabei muss man ihr eigentlich am meisten danken. Durch die regelmäßigen Veranstaltungen schafft Frau Hertel einen öffentlichen Raum für regionale Literatur verschiedener Gattungen. Ein sehr gut informiertes Publikum hält ihr die Treue. Die Besucher entscheiden sich für die besonderen Veranstaltungen in der Buchhandlung und gegen die Durchschnitts-Massenkultur des Fernsehens.
Es sind solche kleinen Buchhandlungen, die mit eigenen Mitteln, mit viel Liebe zum Detail und mit großem Zeitaufwand die Kultur der Region tragen.
Johannes Eichenthal

Eine weitere Vorstellung »Von den Minnesängern bis Herder«:

Information
In allen Buchhandlungen erhältlich oder direkt beim Verlag www.mironde.com
Andreas Eichler: Von den Minnesängern bis Herder. Sprache und Eigensinn.
23,0 × 23,0 cm, 340 Seiten, fester Einband, zahlreiche Abbildungen
VP 29,90 €
ISBN 978-3-96063-025-8

Die Litterata – Technik und Poesie in Mitteleuropa – ist ein Feuilleton des Mironde Verlags (www.mironde.com) und des Freundeskreises Gert Hofmann.

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